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"Es hat niemand Schuld an einer Depression"
Wie kann es sein, dass jemand so lustig und gleichzeitig so hoffnungslos ist? Der Suizid des Schauspielers Robin Williams führt zu der Frage, wie Familienmitglieder Anzeichen einer Depression erkennen können. Und wie sie mit Trauer und Schuldgefühlen nach einem Suizid umgehen sollten. Antworten von der Psychologin Ines Heinz.

Da scheint ein Mensch zufrieden zu sein, lebt in einer rosa Villa, hat eine Familie, bringt andere zum Lachen – und nimmt sich wegen Depressionen das Leben. Ist das typisch?

Ines Heinz: An einer Depression kann jeder erkranken, und zwar unabhängig vom Alter, dem beruflichen Erfolg und den Lebensumständen. Menschen mit Depressionen haben ein generell erhöhtes Suizidrisiko, weil Depressionen mit einer sehr großen Hoffnungslosigkeit einhergehen. Betroffene haben dann durch die Brille der Depression den Glauben verloren, dass sich dieser leidvolle Zustand je wieder bessern kann und dass ihnen geholfen werden kann. Das kann dann eben zu dem Wunsch führen, diesen Zustand beenden zu wollen. Wichtig ist deswegen eine frühzeitige und konsequente Behandlung der Depression als Grunderkrankung, was dann eben auch die beste Möglichkeit ist, Suiziden vorzubeugen.

Es hat also nichts damit zu tun, ob es mir im Leben gut geht, ob ich eine Familie, ein soziales Netz, genug Geld, Gesundheit habe?

Heinz: Depression ist eine Krankheit, die grundsätzlich jeden treffen kann. Den prominenten Schauspieler, den Arbeitslosen, den Handwerker, den Künstler. An der Entstehung einer Depression sind verschiedene Faktoren beteiligt, eine große Rolle spielt auch die Veranlagung, also das Risiko, an Depression zu erkranken. Diese kann genetisch bedingt oder auch erworben sein, zum Beispiel durch Missbrauchserfahrungen oder Traumata in der Kindheit. Eine solche Veranlagung ist dann entscheidender als ob jemand in einer Villa lebt, eine Familie hat oder wie alt er ist.

Gibt es denn nichts, was gegen so starke Depressionen helfen kann?

Heinz: Doch, ganz im Gegenteil! Depressionen sind bei den allermeisten Menschen gut behandelbar. Es gibt zwei zentrale Behandlungssäulen: Das sind zum einen die Medikamente, die so genannten Antidepressiva, und zum andern die Psychotherapie, mit deren Hilfe auch das Rückfallrisiko – das heißt, mehr als eine depressive Phase im Leben zu erleiden – um bis zu 70 Prozent gesenkt werden kann. Neben diesen Hauptbehandlungssäulen gibt es auch Dinge, die Betroffene selbst unterstützend tun können: einen Krisenplan erstellen beispielsweise, um im Notfall entsprechend reagieren zu können, aber auch eine Selbsthilfegruppe besuchen, bis hin zu Sport und Bewegung, die auch als hilfreich und unterstützend erlebt werden.

Nach einem Suizid sind Angehörige völlig schockiert und sagen: "Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet! Ich habe gar keine Anzeichen gesehen." Hätten sie denn etwas merken können?

Heinz: Grundsätzlich ist es so, dass nicht alle Betroffenen mit ihrer Erkrankung offen umgehen. Im Gegenteil: Manche Menschen mit Depressionen verheimlichen die Erkrankung aus Angst vor Stigmatisierung oder Schamgefühlen. Es ist leider so, dass ein offener Umgang mit Depressionen in unserer Gesellschaft noch nicht immer selbstverständlich ist und Depression häufig noch mit persönlichem Versagen assoziiert oder als Charakterschwäche betrachtet wird. Deswegen ist eine offene Kommunikation über die Erkrankung nicht immer der Fall. Und es ist auch gerade bei Suizidgedanken so, dass nicht jeder Betroffene darüber spricht, weil es eben auch einfach ein unangenehmes, belastendes Thema ist.

Es gibt aber Alarmzeichen, die beobachtet werden können, und dann ist es wichtig – auch für die Angehörigen – zu reagieren. Das ist der Fall, wenn Suizidankündigungen ausgesprochen werden, aber auch wenn von einer großen Hoffnungslosigkeit berichtet wird. Äußerungen wie "Das hat doch alles keinen Sinn mehr" oder "Irgendwann muss auch mal Schluss sein" können eine Hinweis sein oder wenn Betroffene ihre Angelegenheiten ordnen oder Abschied nehmen. Bei einem Verdacht ist es wichtig, ruhig und sachlich das Thema anzusprechen. Die Befürchtung, man könne dadurch den Suizid erst provozieren, ist schlichtweg falsch, denn für viele Menschen ist es eine Entlastung, mit jemandem über solche quälenden Gedanken zu sprechen. Im nächsten Schritt ist es dann wichtig, professionelle Hilfe hinzuzuziehen, einen Arzt oder Psychotherapeuten beziehungsweise – nachts und am Wochenende – auch die psychiatrische Notfallambulanz einer Klinik oder auch den Notarzt.

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Wenn sich jemand das Leben genommen hat, dann machen sich Eltern, Ehepartner und Geschwister oft große Vorwürfe und haben sogar Schuldgefühle. Zu Recht?

Heinz: Die Hauptursache für Suizid ist meist eine nicht adäquat behandelte Depression. Wie ich schon gesagt habe: Depression ist eben eine Erkrankung, die grundsätzlich jeden Menschen treffen kann. Es hat niemand Schuld an einer Depression, weder der Betroffene noch andere im Umfeld oder die Angehörigen. Entscheidend ist immer bei dem Verdacht auf Depression oder auch Suizidalität, professionelle Hilfe hinzuzuziehen.

Dann kann es ja sein, dass ich als Angehörige genau das nicht getan habe. Und mir im Nachhinein sage: "Ich hätte es verhindern können und ich habe es nicht verhindert."

Heinz: Schuldgefühle können bei Suizid eine größere Rolle spielen als bei anderen Todesursachen. Generell ist der Verlust eines geliebten Menschen immer sehr schwer und geht immer mit einer Trauerphase einher, und es gibt auch für die Trauer nach einem Suizid keine richtige oder falsche Art, wie man diese Lebenskrise bewältigt. Da hat jeder seinen eigenen Weg. Es gibt aber speziell für diesen Fall Unterstützung: Neben der Hilfe aus dem sozialen Umfeld und der Familie gibt es eben auch professionelle Angebote, die speziell bei der Trauer nach einem Suizid unterstützen, auch was den Umgang mit möglichen Schuldfragen betrifft. Es gibt zum Beispiel den Verein der Angehörigen um Suizid, der regionale Gruppen für Angehörige anbietet. Dort kann man über solche Themen sprechen.

Wäre das Ihr Rat für eine Familie in einer solchen Situation: Miteinander sprechen, mit anderen sprechen?

Heinz: Ja, wobei jeder seine eigene Art und Weise der Trauer hat. Vielen hilft es einfach sich auszutauschen, auf Gleichgesinnte zu treffen und das Gefühl zu haben: Ich bin nicht die Einzige, der es so geht oder die so etwas erlebt hat.