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TV-Tipp des Tages: "Tatort: Ein neues Leben" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Tatort: Ein neues Leben", 10. August, 20.15 Uhr im Ersten
Eine Drückerkolonne sammelt Geld für eine Tierschutzorganisation. Mit den Bildern süßer Robbenbabys erweichen sie die Herzen der potenziellen Spender, die per EC-Karte zahlen sollen. Dahinter verbirgt sich ein perfides Kalkül: Die Lesegeräte speichern die persönlichen Daten der Menschen, darunter auch die Geheimzahl, so dass sich die beiden Chefinnen der Truppe später in aller Ruhe am Geldautomat bereichern können. Davon haben ihre Mitarbeiter allerdings keine Ahnung.

Wenn ein TV-Kommissar verdeckt ermittelt, ist die Spannung gleich doppelt groß: weil er nicht nur den Fall klären will, sondern auch ständig Gefahr läuft, erwischt zu werden. Gerade dies hat die Qualität der Hamburger "Tatort"-Krimis mit Mehmet Kurtulus ausgemacht, aber daran sind sie womöglich auch gescheitert: Manch’ einem waren sie wohl zu spannend. Solchen Zuschauern wird es bei diesem "Tatort" aus München allerdings nicht besser ergehen, denn Ivo Batic (Miroslav Nemec) mischt sich "undercover" unter die Mitglieder einer so genannten Drückerkolonne. Die Männer und Frauen gehen von Tür zu Tür, um Geld für eine Tierschutzorganisation zu sammeln. Mit den Bildern süßer Robbenbabys erweichen sie die Herzen der potenziellen Spender, die per EC-Karte zahlen sollen. Dahinter verbirgt sich ein perfides Kalkül: Die Lesegeräte speichern die persönlichen Daten der Menschen, darunter auch die Geheimzahl, so dass sich die beiden Chefinnen der Truppe später in aller Ruhe am Geldautomat bereichern können. Davon haben ihre Mitarbeiter allerdings keine Ahnung.

Eine Welt mit eigenen Regeln

Die Methode ist keineswegs eine Drehbucherfindung und hätte als Krimistoff locker genügt, aber selbstredend muss es im "Tatort" immer um Mord gehen; also stoßen Batic und sein Partner Leitmayr (Udo Wachtveitl) nur deshalb auf die Drücker, weil ein Mitglied der Gruppe in einem Auto verbrannt ist. Als die beiden Damen nach Ersatz suchen, nutzt Batic die Gelegenheit spontan für ein Vorstellungsgespräch, und da er schon von Berufs wegen eine Respektsperson ist, bekommt er den Job. Auf diese Weise erhält man Einblick in eine Welt, die nach ganz eigenen Regeln funktioniert. Bald ist Batic klar, dass der Mörder tatsächlich zu der Gruppe gehören muss.

Für keinerlei zusätzlichen Nervenkitzel sorgt allerdings die Idee, den beiden Anführerinnen auch noch eine lesbische Beziehung anzudichten. Bei den entsprechenden Szenen fühlt man sich prompt buchstäblich wie im falschen Film; das hat sich das Drehbuchteam, Fred und Léonie-Claire Breinersdorfer, sicher anders vorgestellt. Nina Proll (ihre Partnerin spielt Mina Tander) erinnert mit ihrem straff zurückgebundenen Haar und den entsprechenden harten Zügen zudem an das Filmklischee einer KZ-Schergin. Ähnlich unnötig kolportagehaft wirkt ein Nebenstrang mit Katharina M. Schubert als heulendes Elend: Die Frau fürchtet, das verbrannte Opfer sei ihr Freund. Die beiden hatten sich im Streit getrennt, als der Mann rausgefunden hatte, dass sie heimlich als Callgirl arbeitet. Und sollten die Einlagen von Gastkommissar Fechner (Maximilian Schafroth) als Comedy-Elemente gedacht sein, so ist auch dieser Plan nicht aufgegangen: Der junge Mann ist wahrlich keine Zierde seines Berufsstands, sondern eine Nervensäge, und das keineswegs bloß aus Sicht der beiden Kommissare. Später stellt sich raus, dass er den ungenehmigten "Undercover"-Einsatz verpetzt hat, aber da ist er ohnehin schon längst unten durch.

Sehenswert ist dieser "Tatort" dennoch, und sei es bloß als Warnung vor zwielichtigen Haustürgeschäften; auch die Einblicke in Ausbildung und Regelwerk des Drückermilieus sind ausgesprochen interessant. Außerdem spielt Nemec seine doppelbödige Rolle ausgezeichnet. Als Inkarnation des gern zitierten Verkaufsgenies, das selbst einem Eskimo einen Kühlschrank andrehen würde, ist er sogar erschreckend gut.