Die vielen Fahnen zeigen, dass es in dem Deutschen Seemannsheim international zu geht. Wimpel von Japan, Dänemark, Niederlande, Großbritannien und weiteren Seefahrernationen zieren das Eingangsportal des Hamburger Seemannsheims. Auf den Stufen davor sitzen zwei Schwarzafrikaner und unterhalten sich. Drinnen ist kaum mehr Platz für weitere Besucher der bevorstehenden Auktion. Gegenüber erhebt sich die Turmsitze vom Hamburger Michel – die Kirche oberhalb der Landungsbrücken ist ein Wahrzeichen der Stadt. Früher haben die Seeleute den Turm von der Elbe aus gesehen, wenn sie in den Hafen schipperten.
Matrosenschätze kommen in neue Hände
###mehr-galerien###Die Koffer haben Seeleute einst dort deponiert, bevor es wieder auf die nächste Fahrt um den halben Globus ging. Die Geschäftsleitung des Heimes Inka Peschke und Felix Tolle versichern, dass die Besitzer seit langem nicht mehr erreichbar sind und die Versteigerung somit legitim sei. Dass das Seemannsheim klamm ist, obwohl es von der Evangelischen Kirche und zahlreichen Spendern unterstützt ist, liegt auch daran, dass es für die Betreuung der Seeleute viele Mitarbeiter braucht.
Felix Tolle greift sich das erste Stück zur Versteigerung: ein Seesack. "Etwa zehn Kilo schwer", sagt er. Wer bietet 5 Euro? Schnell tasten sich die Besucher an die Preise heran. Während Inka Peschke neben ihm den Hammer hebt und immer wieder Tempo macht mit den Zauberworten "zum ersten, zum zweiten und …." - dann kommt garantiert noch ein höhreres Gebot. Für 60 Euro geht der schwere Sack an eine junge Dame. Herzlichen Glückwunsch, ruft sie. Im Applaus entlädt sich die aufbauende Spannung.
1800 Euro für herrenlose Seemannskoffer
Die Stimmung steigert sich als es um eine schwere Seekiste aus Metall geht. "Das interessanteste Stück", meint Tolle und klopft auf den Blechrücken. "Sieht vielversprechend aus! Von von Gold über Diamanten kann alles drin sein", flachst er. Mit 50 Euro geht es los. Schnell überwinden die Bieter die Hundert-Euro-Hürde. Wer hat die 150 geboten? Der Hammer saust nieder. "Doch da war noch einer" - für 205 Euro schließlich geht die Kiste an den neuen Besitzer. Die Stimmung reißt mit. Die Autorin, wie auch andere Journalisten bieten mit. Auch Herr Pannwitz legt ein paar Mal energisch nach und bekommt bei 130 den Zuschlag für einen großen schwarzen Koffer. Ein Mitbieter ärgert sich lautstark. Das Publikum lacht. Der erfolgreiche Bieter zittert vor Aufregung. "So, gleich Geld?" und geht nach vorne. Inka Peschke antwortet lachend: "Ja, machen wir." Das Publikum johlt. Von wegen steife Nordlichter. Doch den Koffer will der Hamburger nicht öffnen. Erst zu Hause, darauf beharrt er, trotz zahlreicher Nachfragen.
Das nimmt der Seemann mit aufs Schiff
Diejenigen, die dann tatsächlich vor Publikum den Koffer öffnen, finden keine Münzsammlung oder goldene Andenken. Stattdessen: Winterkleidung, Arbeitsstiefel, Stricksocken, ein nagelneues Fußball-Fan-Trikot von Bayern München – sicher als Mitbringsel gedacht. So richtig will aber keiner über die Kleidungsstücke enttäuscht sein. "Was wissen wir denn von den Seeleuten", sagt eine junge Frau. Auch die Älteren bemerken bei allem Spaß, dass die Koffer doch Geschichten erzählen können und etwas Rätselhaftes behalten.
###mehr-info###Man fragt sich, was die Bieter und Gäste wohl wissen von den Seeleuten aus den Philippinen, aus Indien oder Westafrika, die hier zu Gast sind. Die Containerhäfen liegen heute weit vor den Toren der Stadt, in Hamburg ist das nicht anders als in Rotterdam, Singapur oder Genua. Die Seeleute hätten keine Chance in die Stadt zu kommen, nach Monaten auf See. Die Liegezeiten sind kurz, höchstens ein bis zwei Tage. Hier springen die Seemannsmissionen ein, bieten den Matrosen ein Zimmer und unterstützen sie mit Internetempfang und Skype, damit sie Kontakt zu ihren Familien aufnehmen können. Das ist das wichtigste, sagt Felix Tolle, und das Einzelzimmer mit Dusche und WC.
Die Seeleute kommen aus aller Welt
Seine Mitarbeiter begleiten die Seeleute bei Arztbesuchen und Behördengängen. Mit der Zeit stellt sich ein Vertrauensverhältnis ein, sagt er. Die Seeleute kommen auch nach Jahren immer wieder. Auch deutsche Seefahrer sind im Seemannheim anzutreffen, als Dauergäste im Ruhestand oder wenn sie krank werden. Manche haben keine Familie mehr und kennen nur Seeleute.
Viele Landratten hängen wohl immer noch der Seefahrerromantik von damals nach, dass die Seefahrer viel Zeit haben, um Land und Leute kennen zu lernen. Heute arbeiten die Seeleute aber sieben Tage die Woche und wohnen auch an dem Ort, wo sie arbeiten – manchmal monatelang. Dann gibt es Urlaub ein, zwei Monate und dann geht es wieder los. Ein Rhythmus, der viel Disziplin erfordert und einsam machen kann, sagt Tolle.