Illustration: evangelisch.de/Simone Sass
Geht nach draußen!
Wie Inklusion in Kirchengemeinden gelingen kann
Kirchengemeinde als verschlossener Klüngel der Bessergläubigen – das gibt es viel zu oft. Dabei ist Inklusion in der Kirchengemeinde gar nicht schwer: Gemeinden müssen nur vor die eigene Türe schauen und die mitnehmen, die bisher außen vor waren. Ein Kommentar zum Abschluss des Inklusions-Schwerpunkts auf evangelisch.de.

Wer versucht, in einer neuen Kirchengemeinde anzulanden, kann extrem unterschiedliche Erfahrungen machen. Manche Gemeinden pflegen eine herzliche Willkommenskultur, in anderen schottet sich der immer gleiche Klüngel vom Rest der Welt ab – ganz so, als sei Kirche ein exklusiver Club.

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Solche Gemeinden verschließen sich vor ihrem lokalen Umfeld, engagieren sich kaum draußen vor der Tür. Ein "In ist, wer drin ist"-Habitus herrscht bei den selbstgerechten Sahnehäubchenchristen. Diakonisches Engagement? Kaum vorhanden. Gefängnisgeistliche, Krankenhauspfarrer, Militär- oder Telefonseelsorge – Kontakte zu diesen kirchlichen Angeboten kommen im Leben dieser Gemeinden nicht vor, ganz zu schweigen von Kooperationen mit zivilgesellschaftlichen Gruppen und lokalen Initiativen.

Die Gemeinde als Selbsthilfegruppe für ihre Kern-Klientel: Das reicht nicht aus. Ging nicht auch Jesus zu denen, die sonst außen vor waren? Zu denen, die von den Schriftgelehrten schräg angeschaut wurden? Im Gleichnis vom Hochzeitsmahl (Matthäus 22,1-14) erzählt er die Geschichte vom König, der für seinen Sohn eine unvergessliche Heiratsfeier ausrichten will. Als die illustren Gäste nicht auftauchen, schickt der König seine Knechte hinaus und lässt sie alle Menschen auf den Straßen einladen.

"Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo bliebe das Gehör?"

Auch Kirchengemeinden sollten rauskommen aus ihren Gemeindehäusern, sich der Gesellschaft öffnen. Es gibt einige, denen das zweifelsohne gut gelingt – schon seit Jahrzehnten und oft, ohne darum großes Aufhebens zu machen. Doch zu viele Gemeinden schmoren im eigenen Saft. Werden soziale Projekte geplant, geschieht das häufig über den Kopf der Betroffen hinweg.

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Angebote mit und nicht für sozial Schwache, Behinderte, Kranke, Alte – das ist das Ziel all jener Gemeinden, die sich für inklusive Konzepte öffnen. Das meint der Diakoniewissenschaftler Ulf Liedke, wenn er von der "Entdiakonisierung" von Menschen mit Behinderung spricht. Wer Hilfe braucht, dem soll geholfen werden, er soll aber nicht nur als Hilfsempfänger gesehen werden.

Gemeinden sollten prüfen, wo sie sich noch öffnen und mit welchen Gruppen sie zusammenarbeiten können oder welche Menschen vor Ort im Gemeindeleben noch nicht vorkommen. Inklusive Kirchengemeinden sind also keineswegs ein verkopftes Konzept von Funktionären. Dass Kirche auch Inklusion kann, zeigen diese Beispiele: Die Gemeinde St. Georg-Borgfelde in Hamburg, die auf das eingeht, was sie vor Ort findet – Aids, Armut, Drogen, Prostitution. Die Essener Aktion Menschenstadt. Die Heidelberger Diakonischen Hausgemeinschaften, wo die unterschiedlichsten Menschen auf einem Fleck leben, aufgefangen durch die Gemeinschaft mit enger Anbindung ans Gemeindeleben. Oder die Lübecker Markus-Kirche, die neben einer diakonischen Einrichtung steht. Sie hat frischen Wind in ihr Gemeindeleben gebracht, feiert jetzt Gottesdienste in leichter Sprache und mit Anregungen für alle Sinne – gemeinsam geplant von Menschen mit und ohne Behinderung.

Ein Gemeindefest, bei dem alle mitplanen, wird anders ablaufen als eines, bei dem nur ein Milieu am Planungstisch sitzt. Denn: "Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo bliebe das Gehör?", schreibt Paulus im ersten Brief an die Korinther. Der Leib ist die Gemeinschaft der Gläubigen. In ihm hat jeder seinen Platz, mit seinen je eigenen Schwächen und Stärken. Alle Glieder sind anders – zum Glück. Barrieren lassen sich nur abbauen, wenn alle gemeinsam anpacken.