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TV-Tipp des Tages: "Bottled Life" (Arte)
TV-Tipp des Tages: "Bottled Life", 5. August, 20.15 Uhr auf Arte
Das beste Marketing der Welt: Nestlé macht aus Leitungswasser ein Lifestyleprodukt. Der Dokumentarfilm "Bottled Life" zeigt, wie der Konzern agiert, wenn man ihn lässt.

Peter Brabeck ist nicht Jesus, aber auch er hat eine bemerkenswerte Gabe: Er macht Wasser zu Geld. Brabeck ist Verwaltungsratspräsident von Nestlé. Die Schweizer Firma ist der größte Lebensmittelkonzern der Welt. Das Unternehmen verdankt diese Dominanz unter anderem einer ebenso schlichten wie brillanten Strategie: Es weckt ein Bedürfnis, das vorher überhaupt nicht existierte und nun teuer bezahlt werden muss. In "Bottled Life" dokumentieren die Schweizer Urs Schnell (Regie) und Res Gehriger (Buch), wie sich Nestlé auf der ganzen Welt ausbreitet und den Menschen verkauft, was sie vorher praktisch umsonst bekamen: Trinkwasser. In New York zum Beispiel ist das Leitungswasser vorbildlich, aber dank einer geschickten Werbekampagne von Nestlé gilt es als cool und hip, Wasser aus Plastikflaschen zu trinken. Der entsprechende Müllberg ist gigantisch.

Wem gehört das Wasser?

Immerhin entsteht den New Yorkern kein nennenswerter Nachteil; im Gegensatz zu den Menschen anderswo. In Pakistan und Nigeria hat das Geschäft mit dem Durst dazu geführt, dass ausgerechnet die Ärmsten der Armen nun kein Trinkwasser mehr haben. Die zweitgrößte pakistanische Stadt Lahore (sieben Millionen Einwohner) diente Nestlé als Pilotprojekt. Hier gab es früher überhaupt keinen Markt für Wasser in Flaschen. Seit die Firma diesen Markt erschaffen und selbstredend auch monopolisiert hat, ist der Grundwasserpegel gesunken, Brunnen sind versiegt. Weil die Abwasserrohre verrostet sind, ist das Trinkwasser derart verunreinigt, dass man das Wasser in Flaschen kaufen muss. Ähnlich verlief die Entwicklung im nigerianischen Lagos; in der mit 15 Millionen Einwohnern größten Stadt Afrikas ist sauberes Wasser mittlerweile teurer als Benzin. Damit sind die Filmemacher bei der Frage, die den roten Faden des Films bildet: Wem gehört das Wasser?

Immer wieder konterkarieren Schnell und Gehriger die Ergebnisse ihrer Recherche mit Aussagen von Brabeck. Für ein Interview stand der Nestlé-Chef zwar nicht zur Verfügung, aber er betont die soziale Verantwortung des Konzerns und die Nachhaltigkeit seines Engagements regelmäßig bei öffentlichen Auftritten, und der Film nimmt ihn prompt beim Wort. Tatsächlich hat Nestlé unter anderem in Äthiopien ein entsprechendes Projekt initiiert, aber mittlerweile sind die Leitungen, die ein Flüchtlingslager mit Wasser versorgen, marode, die Pumpen gehen ständig kaputt; Nestlé hat sich hier seit Jahren nicht mehr blicken lassen.

Trotzdem trägt Schnell seine Erkenntnisse im Film ohne Häme vor; nüchtern und sachlich listet er Fakten auf. Emotional werden allenfalls die diversen Gesprächspartner, die beschreiben, dass sich Nestlés Wirken in der Tat nachhaltig auswirkt, aber nicht im positiven Sinn. Und fast wähnt man sich bei Asterix und Obelix, wenn Schnell über die Aktivitäten einer amerikanischen Gemeinde berichtet, die dem Weltkonzern getrotzt hat: Wasser wurde dort zu einem Grundrecht erklärt, weshalb es nicht zu kommerziellen Zwecken abgepumpt werden darf.

Aber meistens setzt sich auch in den USA am Ende Nestlé durch, weil die Firma "ein guter Nachbar" ist, wie es öfter heißt: Das Unternehmen schafft Arbeitsplätze, zahlt Steuern und sorgt mit Spenden für ein gutes Image.

Wie in allen Filmen dieser Art wird sehr, sehr viel geredet; entsprechend umfangreich sind die Informationen, die man verarbeiten muss. Zur Entspannung zeigt Schnell immer wieder ausgesucht schöne Bilder malerischer Refugien, in denen das Wasser noch unbehelligt vor sich hinplätschern kann. Die Botschaft ist klar: Die Ruhe ist trügerisch.