Antisemitische Schmierereien in der Berliner City: Ein gelber Davidstern auf dem Strassenpflaster.
Foto: ullstein bild/Meißner
Antisemitische Schmierereien in der Berliner City: Ein gelber Davidstern auf dem Strassenpflaster.
Viele laute Stimmen gegen Antisemitismus
Die judenfeindlichen Äußerungen bei Demonstrationen gegen die israelische Militäroffensive im Gazastreifen schlagen immer höhere Wellen. Kanzlerin Merkel macht deutlich: "Das werden wir nicht hinnehmen." Bundespräsident Gauck versicherte den deutschen Juden seine Solidarität und forderte die Deutschen zu mehr Zivilcourage auf.

"Ich möchte alle Deutschen und alle Menschen, die hier leben, auffordern, immer dann ihre Stimme zu erheben, wenn es einen neuen Antisemitismus gibt, der sich auf den Straßen brüstet", sagte Bundespräsident Joachim Gauck am Mittwoch in Berlin. Er bekundete den hier lebenden Juden seine Solidarität. Ihre Sorgen nehme er sehr ernst, sagte Gauck in einem Telefonat mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ über Vize-Regierungssprecher Georg Streiter ausrichten, antisemitische Straftaten würden konsequent verfolgt. Die Äußerungen seien ein Angriff auf Freiheit und Toleranz und der Versuch, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu erschüttern. "Dies können und werden wir nicht hinnehmen", betonte die Regierungschefin.

Schneider: "Berechtigtes Verlangen nach Frieden in Israel und Palästina"

Seit Beginn des Konflikts riefen propalästinensische Demonstrationen bundesweit wiederholt zu Gewalt gegen Juden und Israelis auf. Dabei wurden auch Sprechchöre wie "Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein" verwendet. Auf Plakaten waren Sprüche wie "Kindermörder Israel" oder "Zionisten sind Faschisten" zu lesen. Teilnehmer von Gegenkundgebungen wurden körperlich angegriffen.

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Aus Sicht des israelischen Geheimdienstministers Yuval Steinitz zeigt sich in den Parolen "purer Antisemitismus". Wer diese verbreite, wolle "einen zweiten Holocaust im Nahen Osten", sagte er der "Bild"-Zeitung (Mittwochsausgabe). Der Historiker Wolfgang Benz sieht indes keine neue Qualität in dem Judenhass. Er sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Mittwochsausgabe), die israelische Regierung habe Interesse daran, "dass jede Kritik an ihren Handlungen als Antisemitismus verstanden wird". Aber nicht jeder, der den Gaza-Krieg missbilligt, sei deshalb ein Antisemit. Antisemitismus in Deutschland sei ein "konstanter Bodensatz in der Gesellschaft und keineswegs eine Lawine, die größer und größer wird".

Besorgt äußerte sich der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider: "Es darf nicht sein, dass ein berechtigtes Verlangen nach Frieden in Israel und Palästina missbraucht wird, um Hass, Antisemitismus und Gewalt auf unseren Straßen auszuleben." Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sagte der "tageszeitung" (Donnerstagsausgabe), Judenfeindlichkeit besitze keine religiöse Rechtfertigung. Er beklagte, Muslime würden derzeit zerrieben zwischen Islamisten und denjenigen, die Antisemitismus unter Muslimen für ihre generelle Ablehnung von Zuwanderung heranzögen.

KIrchen und Islamverbände sollen Solidarität mit Juden zeigen

Der Grünen-Politiker Volker Beck rief die Religionsgemeinschaften zu einem Zeichen gegen Judenfeindlichkeit auf. "Es wäre eine gute Idee, wenn die beiden großen Kirchen gemeinsam mit den vier islamischen Verbänden Antisemitismus zurückweisen und sich solidarisch mit den Juden in Deutschland zeigen", sagte er dem epd. "Wir müssen uns alle fragen, was wir jetzt tun können, um dieses schreckliche Ausmaß von antisemitischen Ausfällen zurückzudrängen."

Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, betonte, eine kritische Auseinandersetzung mit dem Nahostkonflikt dürfe nicht genutzt werden, um Antisemitismus hoffähig zu machen. Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Reinhard Robbe, rief dazu auf, dieser "schlimmen Entwicklung" mit der ganzen Härte des Gesetzes entgegenzutreten.

Über mögliche strafrechtliche Folgen der Parolen herrscht unterdessen Unklarheit. Nach Einschätzung des Deutschen Anwaltvereins könnte es sich bei dem Spruch "Jude, Jude, feiges Schwein" möglicherweise um Beleidigung handeln. Den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt die Parole nach Ansicht der Berliner Staatsanwaltschaft nicht. Beck widersprach dieser Einschätzung. Die Berliner Polizei will den Spruch für die bevorstehenden Demonstrationen verbieten.