Foto: epd-bild / Norbert Neetz
Fahnennachdruck mit einem Motiv aus dem Ersten Weltkrieg: Kaiser Wilhelm II. und der Spruch "Gott mit uns"
Die Kirchen und der Erste Weltkrieg: "Auf zu den Waffen!"
Als der Erste Weltkrieg begann, befürworteten die Kirchen den Griff zu den Waffen. Von den Kanzeln begrüßten Pfarrer den Feldzug als "heiligen Krieg". Heute distanziert sich die Evangelische Kirche in Deutschland von der Kriegseuphorie. Am 3. August feiern Kirchen aus ganz Europa gemeinsam einen Gedenkgottesdienst im Elsass.
30.07.2014
epd
Barbara Schneider

Nur wenige Tage, nachdem das deutsche Heer im Oktober 1914 Antwerpen besetzt hatte, stieg in der Berliner Lazaruskirche Pfarrer Hermann Franke auf die Kanzel. "Da sehen wir, auch dem Blödesten erkennbar, das Walten Gottes und seiner Gerechtigkeit", predigte er. Während die deutschen Soldaten durch Belgien eine Spur der Verwüstung zogen und Tausende Zivilisten niedermetzelten, begrüßten Pastoren und Theologen in der Heimat den Vormarsch als Gottes Willen.

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Katholische wie evangelische Christen befürworteten 1914, mit wenigen Ausnahmen, den Krieg. Hundert Jahre später hat sich die Haltung der Kirchen grundlegend geändert. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zeigt sich heute tief beschämt über das kirchliche Versagen beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Kirche und Theologie in Deutschland hätten versagt angesichts der Aufgabe, zu Frieden und Versöhnung beizutragen, heißt es in einem Wort des Rates der EKD.

Im Jahr 1914 war die Kriegsbegeisterung seitens der Christen ungebrochen. Als am 1. August in Berlin die Mobilmachung des Heeres ausgerufen wurde, sang die versammelte Menge lautstark das Kirchenlied "Nun danket alle Gott!" Evangelische Pfarrer, Oberkirchenräte und Theologieprofessoren stimmten euphorisch in die Kriegsrhetorik ein. Als treue Staatsbürger stellten sich aber auch die Katholiken hinter den Kurs des Deutschen Reiches und verteidigten den Krieg als gerechte Sache.

Thron und Altar eng miteinander verzahnt

Zur Eröffnung der Reichstagssitzung im August 1914 rief im Berliner Dom der evangelische Oberhofprediger und enge Kaiservertraute Ernst von Dryander zu den Waffen "für die deutsche Gesittung - gegen die Barbarei!" Bernhard Kirn, der 1914 unter dem Titel "In unsers Herrgotts Schützengraben" mehrere Dorf-Kriegspredigten veröffentlichte, formulierte: "Wer heute gesund ist und die Waffen tragen kann, der gehört in die Schützengräben."

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Seitens der evangelischen Kirche waren zu Beginn des Weltkrieges Thron und Altar eng miteinander verzahnt. Kaiser Wilhelm II. war zugleich oberster Bischof (summus episcopus) der evangelischen Kirche Preußens. Im August 1914 richtet er sich mit einen Kriegsaufruf an das deutsche Volk: "Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Darum auf! Zu den Waffen!" proklamierte er Anfang August: "Vorwärts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit den Vätern war." Es war der evangelische Theologe Adolf von Harnack, der die Vorlage für den Aufruf des Kaisers geschrieben hat.

"Die Protestanten hingen der Religion des politischen Nationalismus an", urteilt der Berliner Historiker Manfred Gailus. Aus Kriegsbegeisterung und Pflichtbewusstsein meldeten sich viele Theologiestudenten und Pfarrer freiwillig zum Dienst an der Waffe oder als Feldgeistliche. Kirchengemeinden spendeten für die Front, Gottesdienstbesucher zeichneten Kriegsanleihen.

Auch in den Folgejahren erhoben nur wenige Christen ihre Stimme gegen den Krieg. Ein Mahner für den Frieden war der Theologe Friedrich Siegmund-Schultze. Der Sekretär des kurz nach Kriegsausbruchs gründeten Weltbundes für Internationale Friedensarbeit der Kirchen rief zur Versöhnung zwischen den Völkern auf. Auf internationaler Ebene fand der schwedische Erzbischof Nathan Söderblom deutliche Worte.

Friedensappell des Papstes verhallte

Innerhalb der Kirchen blieb man im Kriegsverlauf weitgehend seinem Kurs treu. "Seit August 1914 erleben wir in unserem deutschen Volke ein Heldenzeitalter, wie wir es uns vorher nicht hätten träumen lassen," schrieb der Münsteraner Theologe Wilhelm Nelle noch im vierten Kriegsjahr. Als im Jahr 1917 die evangelischen Kirchen den 400. Jahrestag der Reformation feierten, wurde Martin Luther als deutschnationaler Held instrumentalisiert. Das Lutherlied "Ein feste Burg ist unser Gott" musste vielerorts als Kriegspropaganda herhalten, wie Michael Fischer, Leiter des Zentrums für Populäre Kultur und Musik in Freiburg, herausgefunden hat.

Der Patriotismus der Kirchen war allerdings kein deutsches Phänomen: Ähnliche Töne wurden von der anglikanischen Kirche von England und der Fédération Protestante de France angeschlagen. Fatal war der Erste Weltkrieg für die katholische Kirche: "Von Rom aus war der Krieg eine Katastrophe für die katholische Weltkirche", sagt Historiker Gailus - lagen sich doch in den Schützengräben Europas Katholiken feindlich gegenüber. Papst Benedikt XV. wandte sich scharf gegen das Blutvergießen. In einem Friedensappell im Jahr 1915 beschwor er die kriegsführenden Nationen, dem "fürchterlichen Morden" ein Ende zu setzen. Benedikts Friedensappell verhallte, wie auch die pazifistischen Stimmen innerhalb der evangelischen Kirche.

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Die deutsche Kriegsniederlage, die mit dem Waffenstillstand von Compiègne am 11. November 1918 besiegelt wurde, stürzte den Protestantismus im Reich in eine große Depression. Mit dem Zusammenbruch der Monarchie brach für sie die enge Verzahnung von Thron und Altar auseinander. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 hob das Staatskirchentum auf und besiegelte die Trennung von Staat und Kirche. Es sollte aber noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg dauern, ehe die evangelische Kirche ihre skeptische bis ablehnende Haltung gegenüber der Demokratie überwand.