Kritik an Israel nach Einreiseverbot gegen Grass
Israel hat Literaturnobelpreisträger Günter Grass ein Einreiseverbot erteilt wegen dessen umstrittenen Gedichtes "Was gesagt werden muss". Deutsche Politiker und israelische Medien halten den Schritt für überzogen.

Nach dem Einreiseverbot für Günter Grass ist die israelische Regierung selbst unter Druck geraten. Deutsche Politiker nannten den Schritt überzogen, auch israelische Medien kritisierten ihn.

In dem Gedicht "Was gesagt werden muss" hatte Grass geschrieben, die Atommacht Israel bedrohe den Weltfrieden und könne das iranische Volk mit einem Erstschlag auslöschen. Israels Innenminister Eli Jischai von der strengreligiösen Schas-Partei verhängte daraufhin ein Einreiseverbot gegen den Literaturnobelpreisträger.

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Die israelische Zeitung "Haaretz" nannte dies "hysterisch". Politiker von SPD, Grünen, der Linken und der FDP kritisierten den Schritt. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Renate Künast, sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Am Ende reden alle über das Einreiseverbot und nicht mehr über den Inhalt von Grass."

"Souveräner wäre es geswesen, Grass einzuladen"

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Rolf Mützenich, sagte der Süddeutschen Zeitung (Dienstag) zum Einreiseverbot: "Das ist der Auseinandersetzung, die notwendig ist, unangemessen". Der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Rainer Stinner, kritisierte in derselben Zeitung den Schritt als "Überreaktion der israelischen Regierung". Beide Politiker erneuerten zugleich jedoch die scharfe Kritik an Grass. Dieser sei nicht in der Lage, die Komplexität der politischen Situation im Nahen Osten zu verstehen, sagte Stinner.

Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Reinhold Robbe (SPD), sagte der Tageszeitung "Die Welt" (Dienstag), souverän wäre es gewesen, wenn Israel Grass eingeladen hätte, damit dieser seine Vorurteile und Feindbilder anhand der Wirklichkeit überprüfen könne.

Ablenkung vom eigentlichen Thema

Der Linken-Vorsitzende Klaus Ernst bezeichnete das Einreiseverbot in der Mittelbayerischen Zeitung (Dienstag) als "absurd" und forderte, die gesamte Debatte zu versachlichen. Zwar sei die Politik der iranischen Führung inakzeptabel und gefährlich - es gebe aber kein Recht eines Staates auf einen Erstschlag. Der Vorsitzende der Jungen Union (JU), der CDU-Politiker Philipp Mißfelder, forderte Grass im "Tagesspiegel" (Dienstag) dagegen auf, sich für seine Kritik an Israel zu entschuldigen.

Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Shimon Stein sagte der Berliner Tageszeitung B.Z. (Dienstag) zum Einreiseverbot: "Es lenkt vom eigentlichen, wirklich wichtigen Thema ab: dem Streben des Iran nach nuklearen Waffen". Der Schritt Israels werte Grass zudem unnötig auf.

Jüdischer Publizist Giordano verteidigt Einreiseverbot für Grass

Der israelische Autor Uri Avnery nahm Grass in Schutz. Nicht dessen israel-kritisches Gedicht sei antisemitisch. "Es ist antisemitisch, darauf zu bestehen, dass Israel in Deutschland nicht kritisiert werden darf", sagte Avnery der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse" (Dienstag). Scharf kritisierte der Autor auch den israelischen Innenminister und das von ihm gegen Grass verhängte Einreiseverbot. "Grass zur Persona non grata zu erklären, ist völliger Blödsinn – schon allein deswegen, weil Günter Grass gar nicht den Plan hat, hierher zu kommen", sagte Avnery.

Der jüdische Publizist Ralph Giordano verteidigte dagegen das Einreiseverbot. Er könne "die Regierung Netanjahu absolut verstehen", sagte Giordano der "Frankfurter Rundschau" (Dienstag). Giordano begründete seine Ansicht mit der existenziellen Not, in der sich Israel angesichts der von Iran ausgehenden Bedrohung befinde.

dpa