TV-Tipp: "Die Mongolettes – Wir wollen rocken!" (Sat.1)
Tom Berger wartet seit Jahren auf seinen Durchbruch und hat darüber vergessen, erwachsen zu werden. Als seine Gitarre gepfändet wird, braucht er dringend einen Job.
10.04.2012
Von Tilmann P. Gangloff

"Die Mongolettes – Wir wollen rocken!", 10. April, 20.15 Uhr auf Sat.1

Verkrachte Rockmusiker, die ihr Glück als Lehrer versuchen: gab’s schon. Filme, die zeigen, dass Behinderte Menschen wie du und ich sind: gab’s auch schon. Die Kombination jedoch ist neu; und nicht nur deshalb ist "Die Mongolettes" eine ungewöhnliche Komödie. Der Film profitiert von gleich mehreren Glücksfällen: Max von Thun ist selbst Musiker, weshalb er die Hauptfigur naturgemäß zumindest in den musikalischen Momenten ganz anders spielen kann als Kollegen, die kein Instrument beherrschen. Knüller des Films aber sind die Darsteller der Schüler, die ihre Rollen wunderbar natürlich verkörpern. Dass einige von ihnen als Mitwirkende des Berliner "Circus Sonnenstich" bereits Bühnenerfahrung haben, hat ihnen die Aufgabe vermutlich erleichtert; bemerkenswert ist ihre Leistung dennoch.

"Heiwäi to Hell"

Die Geschichte ist nicht neu und etwas schlicht, aber dafür ergreifend: Tom Berger wartet seit Jahren auf seinen Durchbruch und hat darüber vergessen, erwachsen zu werden. Als seine Gitarre gepfändet wird, braucht er dringend einen Job. Da er mal Musik auf Lehramt studiert hat, bewirbt er sich mit gefälschten Zeugnissen bei einer Schule für Behinderte. Er kriegt die Stelle, merkt jedoch rasch, warum man ihn gefragt hat, ob er auch in Sonderschulpädagogik bewandert sei. Weil Tom aber selbst noch ein Kindskopf ist, findet er bald eine gemeinsame Ebene mit den Kind gebliebenen Teenagern. Als seine Klasse merkt, dass ihre Instrumente mehr hergeben als bloß braves christliches Liedgut, hat Tom endgültig gewonnen. Er wittert seine Chance, doch noch den lange ersehnten Plattenvertrag zu bekommen, und meldet die "Mongolettes" für einen Nachwuchswettbewerb an, bei dem sie den AC/DC-Hit "Highway to Hell" spielen sollen. Den Text bringt er ihnen in Lautschrift bei ("Heiwäi to Hell").

Die Idee zu dem Film stammt von Produzent Mirko Schulze, der selbst eine Tochter mit Down Syndrom hat. Er betrachtet "Die Mongolettes" als Plädoyer für das Recht jedes Menschen, innerhalb der eigenen Grenzen glücklich zu werden: "Behinderte Teenies sind vielleicht anders, komischer oder langsamer, haben aber die gleichen Bedürfnisse wie alle anderen; und auch das Recht auf eine anständige Pubertät mit Rebellion und lauter Musik." Aus diesem Grund geht es im Drehbuch von Jürgen Matthäi auch nicht nur um die Romanze zwischen Tom und seiner hübschen Kollegin Maria (Katharina Wackernagel), deren Tochter eine seiner Schülerinnen ist, sondern auch um die erste Liebe zwischen den Teenagern, um Einsamkeit und Angst.

Vor allem aber geht es um Musik, weil die Jungs und Mädels richtig abrocken. Dank der Spielfreude sämtlicher Mitwirkenden kann Florian Gärtner die entsprechenden Szenen als mitreißendes und immer wieder wie improvisiert wirkendes Gute-Laune-Fernsehen inszenieren; selbst wenn Buch und Regie den einen oder anderen dramaturgisch effektvollen Rückschlag eingestreut haben. Und da sich die Schüler fröhlich und unbefangen selbst als "Hirnis" oder "Mongos" bezeichnen, darf man sich politisch voll korrekt mit ihnen amüsieren.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).