Jan Hofer: "Ich bin kein Nachrichtenjunkie"
Eine TV-Institution feiert Geburtstag: Die "Tagesschau" wird dieses Jahr 60. Für viele Zuschauer ist die 20-Uhr-Ausgabe ein Fixpunkt im Tagesablauf. 2011 schalteten durchschnittlich neun Millionen Zuschauer die stocknüchterne Sendung mit dem Gong ein, die zeitgleich im Ersten und auf weiteren Sendern läuft. Kein Wunder, dass die ARD schon jetzt mit den Feierlichkeiten für das Jubiläum beginnt: In der Quizshow "Schlau wie die Tagesschau" (5. und 7. April, jeweils 20.15 Uhr, ARD) lässt Moderator Frank Plasberg mehrere Prominente gegen ein Team von "Tagesschau"-Sprechern antreten, es geht um Schlagzeilen aus den vergangenen sechs Jahrzehnten. Mit von der Partie ist natürlich Jan Hofer, der Chefsprecher der "Tagesschau", der seinen eigenen 60. Geburtstag vor wenigen Wochen gefeiert hat.
04.04.2012
Die Fragen stellte Cornelia Wystrichowski

Herr Hofer, die Show "Schlau wie die Tagesschau" eröffnet das Jubiläumsjahr zum 60. Geburtstag der populären Nachrichtensendung. Wird die "Tagesschau" denn über ihren eigenen Geburtstag berichten?

Jan Hofer: Die eigentliche Jubiläumssendung ist am 26. Dezember, vielleicht wird es da einen kurzen Beitrag geben. Wir feiern uns in der Regel zwar nicht selbst, aber aus diesem Anlass könnte ich mir das vorstellen – allerdings nur, wenn die Nachrichtenlage es zulässt. Es mag auch einen redaktionsinternen Umtrunk geben, aber mit Sicherheit kein blumendekoriertes Studio.

Zur Geschichte der "Tagesschau" gehören auch legendäre Versprecher wie der von Dagmar Berghoff, die bei einer Meldung vom Tennis aus einem WTC-Turnier ein WC-Turnier machte. Ihnen selber passieren nicht so viele Versprecher, oder?

Hofer: Doch, einmal habe ich die Besatzung mit einem Traumschiff statt mit einem Raumschiff zur ISS geschickt. Viele Versprecher kriegt der Zuschauer gar nicht richtig mit. Neulich etwa habe ich aus Versehen "der Bundespräsident des Naturschutzbundes" gesagt, es war natürlich der Präsident gemeint. Ganz früher musste man der Redaktion in solchen Fällen eine Flasche Wein auf den Tisch stellen, aber das ist Gott sei Dank vorbei. Und wenn man merkt, dass man sich versprochen hat, sollte man tunlichst keine Sekunde darüber nachdenken, sonst ist der nächste Fehler programmiert.

"Ich weiß schon relativ viel,

aber bei Weitem nicht alles"

 

Wie sattelfest sind Sie, wenn es um die Historie der "Tagesschau" geht? Könnten Sie auf Anhieb die Beiträge der ersten Sendung am 26. Dezember 1952 nennen?

Hofer: Ich weiß schon relativ viel, aber bei Weitem nicht alles. Die erste Sendung selber gibt es ja nicht mehr. Man hatte damals keine Negative und deshalb konnte man das Material nicht kopieren. Die Beiträge sind immer wieder verwendet und umgeschnitten worden, deswegen ist die Sendung in ihrer Gänze nicht erhalten.

Überliefert ist aber, dass es bei der Premiere unter anderem um die Rückkehr Eisenhowers aus Korea, ein Fußballspiel und um eine Eisrevue ging. Worum ging es denn 1985 in der ersten Ausgabe, die Sie selber präsentiert haben?

Hofer: Ich weiß noch, dass es morgens um zehn Uhr war, aber an die Inhalte kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich bin nicht auf Daten fixiert, ich vergesse auch gerne Geburtstage und so etwas - ich gucke einfach nicht so gerne nach hinten.

In der Anfangszeit lief die "Tagesschau" nur dreimal pro Woche, jetzt gibt es täglich rund um die Uhr zahlreiche Ausgaben. Wie viele davon sehen Sie sich an?

Hofer: Ich sehe schon viele "Tagesschau"-Ausgaben. Aber es ist nicht so, dass ich ein Nachrichtenjunkie bin, der ununterbrochen auf irgendeinen Bildschirm guckt. Die 20-Uhr-Ausgabe schaue ich mir aber immer an, um zu sehen, was gelaufen ist und was die Kollegen so treiben.

Und um in Ihrer Eigenschaft als Chefsprecher gegebenenfalls Manöverkritik zu üben?

Hofer: Absolut, wenn es notwendig ist. Aber ich sage auch, was mir besonders gut gefallen hat. Neulich habe ich zum Beispiel eine Kollegin angerufen und ihr gesagt, dass sie klasse ausgesehen hat, dass ihre Klamotten toll waren, weil von Farbe und Design alles passte, und dass sie auch eine tolle Präsentation hingelegt hat.

Was macht denn eine tolle Präsentation aus?

Hofer: Da geht es um Stimmschwankungen. Rasselt er oder sie die Meldungen nur runter – oder betont er sie so, dass man sie wirklich gut nachvollziehen kann? Bei Meldungen aus der Kultur oder dem gesellschaftlichen Bereich, ist da ein bisschen Empathie mit dabei?

"Wir arbeiten ständig an Verbesserungen.

Das Problem ist der schmale Grat hin zur Verwässerung"

 

Also ist die "Tagesschau", wenn man genau hinhört, gar nicht so extrem nüchtern, wie immer gesagt wird?

Hofer: Wir haben neulich ja auch die Ansprache geändert, am Anfang steht jetzt ein persönliches "Herzlich willkommen, ich begrüße Sie zur Tagesschau", und am Ende "Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend". Wir arbeiten ständig an leichten Verbesserungen. Unser Problem ist der schmale Grat hin zur Verwässerung. Wir möchten gerne die Wiedererkennbarkeit der "Tagesschau" behalten, sonst bräuchte man uns ja nicht mehr, wenn wir uns beispielsweise den Privatsendern zu sehr annähern würden. Natürlich könnte ich sagen: "Das Wetter morgen soll wieder schön werden und die Sonne steht 13 Stunden am Himmel, aber Näheres sagt Ihnen Claudia Kleinert." Aber warum? Das erzählt die mir doch sowieso. Bei uns geht es um die Nachricht, wie das Wetter wird, nicht um die Selbstdarstellung des Moderators.

Befürchten Sie nicht, dass jüngere Zuschauer Berührungsängste gegenüber der Tagesschau haben?

Hofer: Es gibt ja die Zuschauerforschung, und da stellen wir fest, dass wir sehr viele junge Zuschauer haben, aber eher aus dem gebildeten Bereich. Ich glaube nicht, dass wir an diejenigen, die eine geringere Bildung haben, herankommen.

Werden bei der Meldungsauswahl andere Kriterien angelegt als früher?

Hofer: Nicht prinzipiell, es gibt aber einen schleichenden Prozess, der sicherlich dazu führt. Die Frage, ob wir Markus Lanz als Übernehmer von "Wetten, dass...?" melden, spielte bei uns eine große Rolle. Wenn eine Fernsehsendung zehn Millionen Zuschauer bindet, und es verändert sich etwas in dieser Größenordnung, dann hat das einen Stellenwert und man muss darüber diskutieren. Wir haben uns diesmal dazu entschlossen, es nicht in der "Tagesschau" um 20 Uhr zu machen, sondern als Aperçu in den "Tagesthemen". Übrigens hat das ZDF die eigene Personalie in den "heute"-Nachrichten auch nicht gemeldet.

Eine große Änderung steht 2012 an, die "Tagesschau" und die weiteren Nachrichtensendungen sollen ein neues Studio bekommen. Steht der exakte Termin schon fest?

Hofer: Vorgesehen ist, dass es Ende dieses Jahres sein soll. Jetzt ist das Studio erst einmal in der Planung, da sind auf der Seite von Technik und Design ja ganze Bataillone beschäftigt. Man braucht alle paar Jahre ein neues Studiodesign, weil sich die Technik enorm ändert.

Werden Sie und die anderen Sprecher mehr zu tun bekommen, etwa mit Touchscreen arbeiten?

Hofer: In der 20-Uhr-Sendung mit Sicherheit nicht, denn 15 Minuten sind 15 Minuten, und alles was man tut kostet Zeit. Wenn ich durchs Studio marschieren würde, um irgendwelche Touchscreens zu bedienen, würden drei Meldungen wegfallen. Aber in den "Tagesthemen", dem "Nachtmagazin" und den anderen Sendungen wird sich sicherlich was tun.


Jan Hofer, eigentlich Johannes Neuenhofer, ist seit Oktober 2004 Chefsprecher der Tagesschau im Ersten Deutschen Fernsehen. Hofer ist Vater zweier Söhne sowie einer Tochter und lebt von seiner Ehefrau, der Schlagersängerin Anne-Karin, getrennt.