Atheisten planen kollektiven Kirchenaustritt zu Ostern
Zu Ostern werben Religionskritiker für einen kollektiven Kirchenaustritt. Mit dem "Hasenfest" wollen sie provozieren und mehr Aufmerksamkeit für Konfessionslose erkämpfen. Die Kirchen stehen beim Dialog mit Atheisten noch am Anfang.
02.04.2012
Von Jasmin Maxwell

Die Vorbereitungen für das "Hasenfest" laufen bei Thorsten Barnickel auf Hochtouren. Die Website ist online, die Facebook-Gruppe gegründet. Ein Hasenkostüm ist auch schon gekauft. Barnickel und andere Religionskritiker rufen im Internet zum kollektiven Kirchenaustritt zu Ostern auf - oder auch zum Hasenfest, wie Barnickel lieber sagt.

Hinter der Aktion "Austritt zum Hasenfest" stehen unter anderem das Online-Magazin FICKO und die Regionalgruppe Mainz/Rheinhessen der religionskritischen Giordano-Bruno-Stiftung, deren zweiter Vorsitzender Barnickel ist. Bereits im vergangenen Jahr hatten sie in Mainz zum Kirchenaustritt aufgerufen, damals machten etwa 30 Menschen mit. "Das war eher eine spontane Facebook-Aktion", sagt Barnickel. In diesem Jahr will er bundesweit Austrittswillige mobilisieren. In neun Städten seien bereits konkrete Aktionen geplant, neben Mainz etwa in Köln, München und Trier.

Barnickel selbst ist mit 16 Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten. Besonders die Ungleichbehandlung von Mann und Frau und die Ablehnung von Homosexualität störten ihn. Der heute 33-Jährige hofft, dass am Gründonnerstag, dem 5. April, möglichst viele seinem Beispiel folgen.

Missverhältnis in der öffentlichen Wahrnehmung

Viele junge Menschen seien zwar als Getaufte Kirchenmitglieder, hätten sich aber durch ihre Lebenspraxis und Überzeugungen weit von der christlichen Lehre entfernt, findet Barnickel. "Sie sollten konsequent sein und austreten." Und damit nach Wunsch der Initiatoren möglichst viel Aufmerksamkeit erregen: "Die Aktion ist eine Möglichkeit, nicht nur für sich im stillen Kämmerlein auszutreten, sondern ein politisches Statement zu setzen." 

Reinhard Hempelmann, Leiter der Evangelischen Zentrale für Weltanschauungsfragen, beobachtet seit Jahren, dass atheistische Verbände immer offensiver auftreten: "Einige sind auch missionarischer geworden und laden pointiert zu ihrer Weltanschauung ein."

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Gerade die Giordano-Bruno-Stiftung erregt immer wieder mit provokanten Aktionen Aufsehen. So rief sie zum Weltjugendtag 2005 in Köln "religionsfreie Zonen" aus und forderte 2009 zum 200. Geburtstag von Charles Darwin eine Umbenennung von Christi Himmelfahrt in "Evolutionstag".

Auch die Hasenfest-Initiatoren setzen bewusst auf Provokation. "Bislang gibt es in der öffentlichen Wahrnehmung ein Missverhältnis", findet Barnickel. Die Kirchen seien etwa in den Medien sehr präsent. "Ein Drittel aller Deutschen sind konfessionslos, sie würden aber nie ein Zeitfenster im Radio zur besten Sendezeit bekommen", kritisiert er. "Wir können oft nur durch provokante Aktionen unsere Position öffentlich so vertreten, wie die Kirchen das tun."

Kardinal Lehmann: Austritt ist eine persönliche Sache

Mit ihrer Strategie hatten die Religionskritiker 2011 Erfolg. Damals rief die Austrittsaktion nicht nur zahlreiche Journalisten auf den Plan, sondern auch die Kirche. Kardinal Karl Lehmann übte in der Mainzer Bistumszeitung "Glaube und Leben" scharfe Kritik. Die Kirchenzugehörigkeit sei eine "personal und persönlich zu verantwortende Sache". Ein kollektiver Austritt habe mit der Achtung vor dem Gewissen des einzelnen Menschen nichts zu tun. Lehmann forderte Christen zu einem "wehrhaften Dialog" mit Religionskritikern auf.

Eine solche Auseinandersetzung empfiehlt auch Hempelmann von der Zentralstelle für Weltanschauungsfragen. "Der Dialog mit Atheisten ist eine Aufgabe, bei der die Kirchen noch am Anfang stehen." Sie müssten sich damit auseinandersetzen, dass immer mehr Menschen dem Thema Religion mit Distanz gegenüberstünden. Mit ihnen müsse man ebenso ins Gespräch kommen wie mit Vertretern atheistischer Verbände. "Wenn aber diese Verbände die Meinung vertreten, dass religiöses oder gläubiges Bewusstsein krankhaft ist, dann ist ein Dialog schwierig", schränkt der Theologe ein.

Thorsten Barnickel betont, er sei offen für eine Diskussion mit der Kirche. Ohnehin glaubt er nicht, mit dem auf Spaß ausgerichteten Hasenfest überzeugte Christen ansprechen zu können. "Wir freuen uns, wenn wir die komplexeren Beweggründe für den Kirchenaustritt außerhalb der Spaßaktion erklären können." Dann auch gerne ohne Hasenkostüm.

epd