Nach der Wahl: Birmanen erwarten bessere Zukunft
Nach der Euphorie über den Wahlerfolg von Birmas Freiheitsikone Aung San Suu Kyi geht es im Parlamentsalltag jetzt ans Eingemachte. Kann die Friedensnobelpreisträgerin die immensen Erwartungen erfüllen?
01.04.2012
Von Christiane Oelrich

Für Birmas Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi war der Wahlgang am Sonntag ein persönlicher Triumph. Nach mehr als 22 Jahren Widerstand gegen die militärische Staatsgewalt hat sie sich durchgesetzt; das Volk hat sie auf einer überwältigenden Welle der Sympathie ins Parlament gewählt.

Die bis vor gut einem Jahr regierende Junta hatte sie jahrelang diffamiert, beleidigt und totgeschwiegen, doch ohne Erfolg: Suu Kyi blieb trotz 15 Jahren Hausarrest in den Herzen der Menschen das Symbol der Hoffnung auf bessere Zeiten. Immense Erwartungen begleiten sie und ihre Nationalliga für Demokratie (NLD) nun ins Parlament.

"Wenn sie im Parlament ist, haben wir Hoffnung auf eine bessere Zukunft", sagte Thain Htike, ein Muslim im überwiegend buddhistischen Birma, bei der Stimmabgabe in einem Vorort von Rangun. "Ich will, dass die NLD gewinnt, damit sich unser Land entwickelt", sagt Hdin Nwet, eine Lehrerin in Suu Kyis Wahlkreis, die sich nach einem Schlaganfall zur Stimmabgabe tragen lassen musste.

Nur ein winziges Häufchen Abgeordnete

Fast Übermenschliches verlangen die Menschen von Suu Kyi und ihrer Partei, die auch bei bestem Abschneiden nur ein winziges Häufchen Abgeordnete im Parlament stellen wird. Die NLD schafft nicht mal zehn Prozent der Sitze, denn die Junta, die das Land fast 50 Jahre dirigierte, hat dem Militär bei den Wahlen 2010 die Macht auf lange Sicht gesichert: sie behielt sich 25 Prozent der Sitze vor und sorgte dafür, dass die Militärpartei USDP dreiviertel der restlichen Sitze gewann.

Was kann Suu Kyi da ausrichten? "Sie könnte auch durch komplizierte Regularien und eine wenig kooperative Regierungspartei festgenagelt werden", meint der birmanische Gastdozent Kyaw San Wai an der Singapurer Nanyang Technological-Universität.

Auch Rivalitäten innerhalb der Oppositionsreihen könnten Fortschritte bremsen. Die NLD wird nicht die einzige demokratische Kraft im Parlament. Weil sie die Wahlen 2010 boykottierte, spaltete sich die National Democratic Force (NDF) ab und gewann immerhin zwölf der 440 Sitze im Unterhaus. Suu Kyi verzieh den einstigen Weggefährten die Abspaltung nie. "Wir wünschten, sie würde mit den anderen zusammenarbeiten, aber man hat den Eindruck, sie hört auf niemanden", sagt der Herausgeber der politischen Wochenzeitung "The Voice", Kyaw Min Swe.

"Wir sollten die demokratischen Kräfte stützen"

In ihrem Widerstand gegen die Generäle hat sich Suu Kyis Starrsinn letztlich ausgezahlt. Im Umgang mit den Reformern der heutigen Regierung könnte das aber daneben gehen, befürchtet die Rechtsanwältin Nyo Nyo, die für eine andere demokratische Partei im Regionalparlament von Rangun sitzt. "Die Regierung will den Wandel im eigenen Tempo vollziehen. Wenn die NLD zu viel Druck macht, könnten die Hardliner wieder die Oberhand gewinnen." Laut Verfassung kann ein Militärrat jederzeit die Macht an sich reißen, wenn er Gefahr für Birmas Einheit wittert.

Viel steht und fällt mit den Sanktionen, die die westlichen Länder im Laufe der Jahre gegen die Militärjunta verhängt haben. Deutschlands Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP), der sich im Februar selbst ein Bild im Land gemacht hatte, forderte eine "Reformdividende". Auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, meint: "Es wäre gut, wenn wir Europäer jetzt einen mutigen Schritt nach vorne machten." Birmas Regierung habe mit der Entlassung hunderter politischer Gefangener und den Friedensschlüssen mit ethnischen Minderheiten deutliche Reformschritte eingeleitet, sagte Löning am Sonntag in Rangun. "Wir sollten die demokratischen Kräfte stützen und nicht immer nur mit der Peitsche der Sanktionen drohen."

An der Sanktionsentscheidung hängen sowohl das Schicksal der Regierung als auch der NLD. Wenn Investitionen ins Land kommen und die Menschen eine spürbare Verbesserung ihrer Lebenslage erleben, stärkt das den Reformern in der Regierung den Rücken und macht den Erwartungsdruck auf Suu Kyi erträglicher.

dpa