"Tatort: Alles hat seinen Preis", 1. April, 20.15 Uhr im Ersten
Krimi-Fans wissen: Morde sind Beziehungstaten, im Fernsehen jedenfalls; und im Sonntagskrimi sowieso. Also müssen Ritter und Stark (Dominic Raacke, Boris Aljinovic) erst mal sämtliche Beziehungen aufdröseln, die der erschlagene Taxiunternehmer Klemke geführt hat. Prompt stellt sich raus: Abgesehen von seiner untröstlichen langjährigen Mitarbeiterin (Renate Krößner) kommt offenbar praktisch jeder, mit dem der Mann näher zu tun hatte, auch als Mörder in Frage. Selbst die Tochter (Nicolette Krebitz), denn die braucht dringend Geld für eine Tauschschule in Australien und hatte einen heftigen Streit mit dem Vater, angeblich um Nebensächlichkeiten.
Der Tod, muss sie sich belehren lassen, "ist keine Nebensache." Weil der Verblichene zu Lebzeiten zudem Vermieter war, müssen sich auch die hübsche Betreiberin (Alwara Höfels) eines Feinkostladens und ihr spätpubertärer Bruder (Christian Blümel) fragen lassen, wo sie denn zur Tatzeit waren. Und dann ist da noch eine Bankangestellte (Tatjana Blacher), die eine etwas eigenwillige Methode gefunden hat, klammen Kunden zu scheinbarer Bonität und somit Kreditwürdigkeit zu verhelfen: indem sie vorübergehend Geld von einem anderen Konto bei ihnen parkt. Der unfreiwillige Geldgeber war Klemke, und sein letzter Anruf galt tatsächlich der Dame von der Bank.
Es wird unglaublich viel geredet
Der Reiz dieses Falls liegt natürlich darin, dass es sich bei den Verdächtigen ausnahmslos um eigentlich sympathische Menschen handelt (Buch: Michael Gantenberg, Hartmut Block). Der einzige, der sich wirklich verdächtig benimmt, ist ein wütender früherer Angestellter (Oktay Özdemir), weshalb man ihn getrost von der Liste streichen kann; selbst wenn sich später rausstellt, dass er den Toten bestohlen hat. Die Tatsache, dass es jeder gewesen sein kann, verleiht dem Fall allerdings auch eine gewisse Beliebigkeit. Vor allem aber wird unglaublich viel geredet. Natürlich nehmen Vernehmungen in Krimis zwangsläufig einen gewissen Raum ein, und es ist durchaus kurzweilig zu beobachten, wie die beiden Ermittler immer wieder zurück auf Anfang müssen, weil die einen ein Alibi haben und den anderen nichts nachgewiesen werden kann. Also rekonstruieren die Kommissare ganze Lebensläufe, um darin irgendwo einen Anhaltspunkt zu entdecken, und das ist auf Dauer etwas ermüdend, zumal die Menschen einem trotzdem fremd bleiben; echte Sympathie mag man für ihre Nöte nicht aufbringen.
Und so sorgen in diesem fast schon provokant gelassen inszenierten Krimi (Regie: Florian Kern) für Kurzweil allein die diversen Wettrennen, die sich Stark und Ritter liefern, weil der eine mit dem Fahrrad schneller ist als der andere mit dem Auto und weil beiden nicht immer mit fairen Mitteln spielen. Dekorativ sind immer wieder auch die Zwischenschnitte mit den Großstadtimpressionen. Aber der Wahrheitsfindung dienen sie selbstredend nicht.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).