TV-Tipp des Tages: "Rosa Roth: Trauma" (ZDF)
Eine Joggerin wird überfahren. Der chinesischstämmige Täter macht sich aus dem Staub, aber ein Junge hat ihn fotografiert. Der Mann ist beim LKA kein Unbekannter.
30.03.2012
Von Tilmann P. Gangloff

"Rosa Roth: Trauma", 31. März, 20.15 Uhr im Zweiten

Ein Blick genügt, denn die Ästhetik ist unverkennbar: "Rosa Roth". Doch der Wiedererkennungseffekt ist nur von kurzer Dauer, denn erneut ist es den Menschen rund um Iris Berbens Sohn Oliver, der die Reihe seit 15 Jahren produziert, gelungen, die Figuren auf den Kopf zu stellen; was man in diesem Fall dank eines Autounfalls durchaus wörtlich nehmen kann. Wieder ist es der düstere und von Thomas Thieme so unnachahmlich verkörperte Kollege Markus Körber, der eine Entwicklung in Gang setzt, in deren Verlauf kein Stein auf dem anderen und keine Beziehung unhinterfragt bleibt. Gleichzeitig erzählt Autor Thorsten Wettke (Regie führt wie immer Carlo Rola) eine derart wechselvolle und undurchsichtige Geschichte, dass er prompt am Ende einige Handlungsfäden etwas lieblos miteinander verknoten muss. Aber der Film ist fesselnd, ohne je auf prätentiöse Weise rätselhaft zu sein, die Schauspieler glaubwürdig und großartig und die Umsetzung für einen Fernsehfilm ungewöhnlich bildgewaltig (Kamera: Frank Küpper).

Handel mit wirkungslosen Medikamenten

Trotzdem ist das Beste der Inhalt, und der beginnt ganz unspektakulär: Eine Joggerin wird überfahren. Der chinesischstämmige Täter macht sich aus dem Staub, aber ein Junge hat ihn fotografiert. Es stellt sich raus, dass der Mann beim LKA kein Unbekannter ist: Herr Song ist in den Handel mit gefälschten und völlig wirkungslosen Medikamenten aus China verwickelt, die Abteilung des Kollegen Gruschwitz (Thomas Sarbacher) lässt ihn schon länger observieren. Roth und Körber dürfen beim Großeinsatz zuschauen, doch der Zugriff schlägt fehl, Song kann fliehen, die beiden nehmen die Verfolgung auf – und dann hebt ihr Auto plötzlich ab.

Was anderswo locker für neunzig Minuten gereicht hätte, ist hier jedoch bloß Prolog für ein ungemein reizvolles Verwirrspiel, in dem schließlich niemand irgendwem noch über den Weg traut: Eine routinemäßige Blutkontrolle hat ergeben, dass Körber zweifelsfrei betrunken war. Der streitet jedoch ab und wittert ein Komplott, schließlich hat ihn der Leiter der Internen Ermittlung (Wilfried Hochholdinger) schon seit Jahren auf dem Kieker. Es hilft alles nichts, Körber wird suspendiert und Roth, zutiefst enttäuscht vom Kollegen, mit Schädelhirntrauma krankgeschrieben. Immerhin darf sie ein bisschen mit ermitteln, weil ihre Vertreterin (Jördis Triebel) sie auf Anhieb sympathisch findet. Beide finden raus, dass Körber mit seiner Verschwörungstheorie womöglich richtig liegt.

Immer wieder wechseln Rola und Wettke Tempo, Genre und Erzählweise. Zwischendurch wandelt sich der Film zum Trinkerdrama, als sich Körber, der nun ohnehin nichts mehr zu verlieren hat, hemmungslos dem Suff hingibt; und wenn er und Roth die Augen schließen, sehen sie die gleichen Unfallbilder. Triebel und Berben harmonieren wunderbar miteinander, Berben und Thieme sowieso, und Hochholdinger gibt dem internen Ermittler alles an Blasiertheit mit, was er zu bieten hat; und das ist eine ganze Menge. Umso verblüffender ist schließlich die Auflösung.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).