Der Papst auf Reisen: "Cuba Libre" und Befreiungstheologie
Der dreitägige Besuch von Papst Benedikt XVI. auf Kuba hat nicht alle Erwartungen erfüllt. Er zeigte jedoch, dass sich die katholische Kirche beharrlich für Veränderungen einsetzt und ihren Frieden mit der Befreiungstheologie gemacht hat.
29.03.2012
Von Bernd Buchner

Dass die kubanische Opposition nach der dreitägigen Visite von Papst Benedikt XVI. auf der Karibikinsel enttäuscht sein würde, ist keine Überraschung. Schon beim Deutschlandbesuch des katholischen Kirchenoberhaupts im vergangenen September waren die Erwartungen im Vorfeld so weit hochgeschraubt worden, dass sie unmöglich zu erfüllen waren. Doch auch ein Papst kann nur das tun, was im Bereich seiner Möglichkeiten liegt. Und als Repräsentant der katholischen Weltkirche muss er stets auf den diplomatischen Ton bedacht sein.

So kritisierte Benedikt XVI. zwar den Marxismus als "veraltet", tat dies aber bereits im Flugzeug auf dem Weg nach Lateinamerika. Bei seinen Ansprachen auf Kuba begnügte er sich mit der Ermunterung, die kommunistische Regierung solle alle Menschen an den gesellschaftlichen Veränderungen beteiligen. Um die Gastgeber nicht zu provozieren, verzichtete er auf eine Begegnung mit Oppositionellen. Stattdessen traf er sich für eine halbe Stunde mit dem "Maximo Lider", Ex-Staatschef Fidel Castro. Die Begegnung soll herzlich und anregend für beide Seiten verlaufen lassen. Castro trat dem weißen Mann ganz in Schwarz entgegen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Wie das Regime mit seinen Gegnern umgeht

Es versteht sich von selbst, dass der Papst auf Kuba nicht einfach zum Regimewechsel aufrufen kann. Wer dem "Vorhof der USA" den Abschied vom Kommunismus wünscht, muss leise und beharrlich agieren – und vor allem eine Zukunftsvision haben. Kapitalismus und Konsumterror werden auch im demokratischen Westen zunehmend in Frage gestellt. Immerhin wurde durch den Besuch wieder deutlich, wie die kubanische Führung mit ihren Gegnern umgeht: Es gab Razzien und hunderte Festnahmen, zugleich rückte mit den "Damen in Weiß", einer Gruppe von Angehörigen politischer Häftlinge, deren Schicksal in die Scheinwerfer der Weltöffentlichkeit.

Auch stärkte Benedikt XVI. durch seine Visite die Bedeutung der katholischen Kirche und damit jener Organisation, die die wichtigste oppositionelle Plattform Kubas ist – so wie es die evangelische Kirche in der späten DDR war. Mit Beharrlichkeit tragen die Christen in der Karibik dazu bei, dass "Cuba Libre" nicht nur ein Longdrink, sondern irgendwann auch wieder eine politische Tatsache ist. Zugleich verurteilte der Papst die "von außen auferlegten ökonomischen Beschränkungen" für den Karibikstaat. Eine so deutliche Kritik an dem US-Handelsembargo, das der kubanischen Bevölkerung seit einem halben Jahrhundert seine Entwicklungschancen raubt, hatte es schon lange nicht mehr gegeben.

"Option für die Armen" ist Gemeingut

Der Papstbesuch in Mexiko und Kuba verdeutlichte einmal mehr, dass die Kirche ihren Frieden mit der Theologie der Befreiung gemacht hat. Die "Option für die Armen", eine von deren Kernanliegen, ist inzwischen kirchliches Gemeingut. Dass ein Befreiungstheologe wie Ernesto Cardenal von einem Papst öffentlich gemaßregelt wird wie 1983 geschehen, ist heute nicht mehr denkbar. Cardenal, damals Kulturminister der Sandinisten in Nicaragua, war vor Johannes Paul II. in die Knie gegangen und musste sich wie ein Schuljunge abkanzeln lassen. Später wurde er von seinem Priesteramt suspendiert.

Heute stehen Konservative wie der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, der als Kandidat für die Spitze der vatikanischen Glaubenskongregation gehandelt wird, gemeinsam mit dem peruanischen Befreiungstheologen Gustavo Gutiérrez "an der Seite der Armen". Die Fronten sind aufgeweicht, ein zweiter Blick lohnt sich. Die katholische Kirche ist, wie früher die gemäßigten Sozialisten, eine revolutionäre, aber keine Revolution machende Organisation. Doch dass die Ideen aus Lateinamerika eine Langzeitwirkung haben, wird ein künftiger Papst, der womöglich aus dieser Region stammt, noch deutlicher machen als der gegenwärtige. Benedikt XVI. steht eher für Europa und Entweltlichung.


Bernd Buchner ist Redakteur bei evangelisch.de und zuständig für das Ressort Religion + Kirche.