Papst mahnt Achtung fundamentaler Freiheiten an
Der Besuch von Papst Benedikt XVI. auf Kuba hinterlässt gemischte Gefühle. Die Opposition zeigte sich weitgehend enttäuscht von der dreitägigen Visite. Bei der Abschlussmesse in Havanna, an der rund eine halbe Million Menschen teilnahmen, war die Stimmung zwar gelöst und friedlich. Doch es roch nach bestelltem Jubel. Ein Großteil des Platzes war für Mitglieder von regierungstreuen Organisationen reserviert. Das gewöhnliche Volk quetschte sich derweil auf den hinteren Stehplätzen.
29.03.2012
Von Fred Meister

Die Rentnerin auf Havannas Platz der Revolution schien ganz nach dem Geschmack von Kubas Regime. Die am Mittwoch zur Freiluftmesse von Papst Benedikt XVI. heraneilenden Kubaner begrüßte die Dame lauthals: "Ich bin 67, katholisch und glaube an die Revolution. Es lebe Fidel Castro!" Dazu schwenkte sie eine riesige Friedensfahne in Regenbogenfarben.

Mit viel Wohlwollen nahmen die gewöhnlichen Kubaner Benedikts wiederholte Wünsche für "Versöhnung und Frieden" auf. Damit spielte der Papst auf die tiefe Spaltung der Nation mit den Exilkubanern in den USA an. Und die Anspielung wurde von allen verstanden. "Auch wir haben eine Mauer", sagte ein Kubaner dem epd unter Verweis auf die frühere deutsche Teilung. Er fügte hinzu: "Auch unsere Mauer wird bald fallen, und der Papst hilft uns dabei."

Benedikt trifft Fidel Castro

Nachdem Benedikt noch unmittelbar vor der Anreise den Marxismus als veraltet kritisiert hatte, fielen die Worte Benedikts auf Kuba sehr milde aus. Er traf sich mit Präsident Raúl Castro. Mit der Opposition aber, die in der katholischen Kirche die letzten verbliebenen Freiräume auf Kuba sieht, traf sich der Papst nicht.

Am Mittwoch war Benedikt auch mit Revolutionsführer Fidel Castro (85) zusammengekommen. Das rund 30-minütige Gespräch fand in einer herzlichen und angeregten Atmosphäre statt, sagte der Vatikansprecher Federico Lombardi zum Abschluss der Papstreise. Castro fragte Benedikt unter anderem, was ein Papst mache. Zudem bat der 85-Jährige das 84-jährige Kirchenoberhaupt um Bücher zu aktuellen Problemen der Menschheit. Fidel Castro hatte 2006 die Führung Kubas an seinen jüngeren Bruder Raúl Castro übergeben.

Fundamentale Freiheiten der Bürger respektieren

Der Papst rief Kuba dazu auf, die Freiheit zu kultivieren. Zum Abschluss seines dreitägigen Besuches auf der Karibikinsel forderte er die Regierung auf, die "fundamentalen Freiheiten" der Bürger zu respektieren. Nur so könne Kuba eine "erneuerte und versöhnte Gesellschaft" gründen, sagte Benedikt am Mittwoch bei der Abschlusszeremonie am Flughafen von Havanna.

Zugleich verurteilte der Papst die "von außen auferlegten ökonomischen Beschränkungen" und spielte damit auf das seit mehr als 50 Jahren geltende Handels- und Wirtschaftsembargo der USA an. Nach Angaben der Opposition wurden während des Papstbesuches mehr als 180 Dissidenten festgenommen und zahlreiche weitere am Verlassen ihrer Häuser gehindert.

Gespenstische Stille und beängstigende Leere

Während die Regierung ihre Anhänger geradezu nötigte, an der Papstmesse teilzunehmen, setzte sie alles daran, die Opposition aus dem Verkehr zu ziehen. Hunderte wurden in Razzien bis in die Morgenstunden vor der Messe festgenommen oder in ihren Häusern festgehalten. Von den "Damen in Weiß", der katholischen Kirche besonders verbundenen Angehörigen politischer Häftlinge, gelang es lediglich drei Frauen, an der Papstmesse teilzunehmen - umzingelt von einem Großaufgebot an Polizei und Staatssicherheit. "Die Regierung ist offenbar sehr nervös und will nicht, dass die Kubaner uns sehen", sagte Njurkis Rivera, eine der "Damen in Weiß" dem epd.

Im übrigen Havanna herrschte schließlich eine gespenstische Stille und beängstigende Leere. Die meisten Straßen waren für den Verkehr gesperrt, das Leben lahmgelegt, dafür an jeder Straßenecke eine Polizeistreife. Dem Papst konnte die mit seinem Besuch verbundene Repression nicht entgangen sein. Bereits am Montag, bei seiner ersten Freiluftmesse in Santiago, verhafteten die Sicherheitskräfte vor seinen Augen einen Oppositionellen, der zum Altar vorgedrungen war und antikommunistische Parolen rief.

Das Ausmaß der Repression werde wohl erst in den kommenden Tagen bekannt werden, wenn alle zum Papstbesuch unterbrochenen Telefonverbindungen wieder funktionieren, äußerte die oppositionelle Bloggerin Yoani Sánchez am Mittwoch per Twitter. Sie fügte hinzu: "Die politischen Kosten dieser Repression werden sehr hoch sein". Während des gut 48-stündigen Besuches von Benedikt auf Kuba nahmen nach Vatikanangaben rund 500.000 Kubaner an den Messen des Papstes teil.

"Die Kirche verrät ihren eigenen Auftrag"

Dennoch hielt sich Benedikt in seinen Ansprachen und Predigten mit Kritik zurück. Mehr als um Menschenrechte und die Stärkung der Opposition ging es dem Papst um Spielraum für die katholische Kirche, und das stellte er auch in seiner Messe klar.

Vor Gläubigen und Nichtgläubigen forderte Benedikt mehr Freiheiten für Kubas Kirche. Auf den Widerspruch wies Kubas Starbloggerin und Dissidentin Sánchez mit einem vom Platz der Revolution gesendeten Kurznachricht hin: "Der Papst spricht in der Messe von Freiheit. Doch die Regierung stellt sich taub und sperrt die 'Damen in Weiß' ins Gefängnis."

"Die Kirche räumt den Beziehungen zu Kubas Regime größere Bedeutung ein als der Unterdrückung der Opposition", kritisierte im Gespräch mit dem epd Roberto Guerra, Chef des unabhängigen Pressebüros Hablemos Press in Havanna. Damit verrate die Kirche ihren eigenen Auftrag, nämlich der Einsatz für die Rechtlosen und Unterdrückten, sagte der ehemalige politische Häftling.

epd