Leistungsschutzrecht nimmt auch Blogger ins Visier
Das neue Leistungsschutzrecht soll große Suchmaschinenanbieter und News-Aggregatoren verpflichten, Verlage für die Nutzung von Textteilen zu entschädigen. Doch betroffen sein könnten auch Blogger, wie eine Anhörung am Mittwoch im Unterausschuss Neue Medien im Bundestag zeigte.
28.03.2012
Von Christiane Schulzki-Haddouti

Eigentlich soll es den Großen an den Kragen gehen: Google News und Facebook, die täglich den Anriss tausender Zeitungs- und Zeitschriftenartikel selbst oder über ihre Nutzer in ihr Angebot einbinden. Doch jetzt könnte es sogar kleine Blogger betreffen, die als gewerblich eingestuft werden können, sobald sie Werbeanzeigen in ihre Blog einblenden. Unklar ist im Moment, ob auch Blogs als gewerblich gelten, die einen Flattr-Spenden-Button einbinden. Das berichtet die Bundestagsabgeordnete der Linken, Petra Sitte, von einer nichtöffentlichen Anhörung des Justizministeriums im Unterausschuss Neue Medien des Bundestags am Mittwoch.

Gewerbliche Anbieter sollen zahlen

Anfang März hatte das Bundeskabinett die Einführung eines Leistungsschutzrechts für die Inhalte, die Verlage im Internet veröffentlichen, beschlossen. Ziel ist es, laut Koalitionsausschuss, "gewerbliche Anbieter im Netz, wie Suchmaschinenbetreiber und News-Aggregatoren" für die Verbreitung von Presse-Erzeugnissen im Internet zu einem Entgelt an die Verlage zu verpflichten.

Die Regelung soll Publikationen betreffen, die nicht älter als ein Jahr sind. Eine Verwertungsgesellschaft soll die Entgelte einfordern und an Verlage und Urheber verteilen. Dabei soll die private Nutzung von Zeitungs- und Zeitschriftenerzeugnissen unentgeltlich bleiben. Auch in der gewerblichen Wirtschaft soll "das Lesen am Bildschirm, das Speichern und der Ausdruck von Presse-Erzeugnissen kostenfrei" bleiben. Zahlen sollen hingegen Anbieter, die Titel und Inhalte von Presse-Erzeugnissen für Internetnutzer übersichtlich aufbereiten und aggregieren.

Das Zitatrecht bleibt vom Leistungsschutzrecht unberührt, da sich Zitate nach dem Urheberrecht sinnvoll in einen Text mit eigener Schöpfungshöhe einfügen müssen. Sie dürfen nicht einfach ohne jeden Kommentar verwendet werden. "News-Aggregatoren enthalten solche eigenen Textschöpfungen nicht", erklärt Urheberrechtsexperte Pascal Schumacher vom Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht an der Universität Münster.

Auch Blogger könnten betroffen sein

Viele Blogger zitieren jedoch auch nicht im Sinne des Urheberrechts: Nicht selten führen sie ohne jeden Kommentar nur Artikelausschnitte an und setzen einen Link auf die Quelle. Unzählige Blogger müssten daher künftig ihr Blog nach solchen Beiträgen durchforsten und löschen, um eine Zahlung nach dem neuen Leistungsschutzrecht zu vermeiden.

Der Koalitionsbeschluss spricht davon, die Verlage "an den Gewinnen gewerblicher Internet-Dienste" zu beteiligten. Seit Jahren behauptet Google jedoch mit seinem Dienst Google News kein Geld zu verdienen und der Aggregationsdienst Rivva überlebt seit Monaten nur mit Hilfe eines zahlungskräftigen Sponsors aus der Automobilbranche.

Anders wäre dies bei Facebook, da der Dienst die Einbindung von Pressebeträgen durch die Nutzer ermöglicht. Michael Hirschler vom Deutschen Journalisten-Verband sieht im Fall von Facebook eine Parallele zu Youtube: Dort verhandelt die GEMA, die Verwertungsgesellschaft für Musik, nicht mit den einzelnen Nutzern, sondern mit Youtube. In Hinblick auf Internetforen, glaubt Hirschler, dass darüber diskutiert werden sollte, nicht nur private Nutzer auszunehmen, sondern auch nichtgewerbliche Anbieter.

Die wahren Urheber könnten aussen vor bleiben

Urheberrechtsexperten sehen in der geplanten Einführung des Leistungsschutzrechts eine fundamentale Änderung des Urheberrechts. Urheberrechtsexperte Schumacher meint: "Es war einmal ein Kulturrecht für Kreative. Es wird nun zum reinen Wirtschaftsrecht für Verwerter."

Journalistenverbände und -gewerkschaften fordern zwar, auch die Kreativen, die wahren Urheber, an den Erlösen zu beteiligen. Der Koalitionsbeschluss spricht aber nur unverbindlichdavon, dass Urheber "angemessen finanziell" beteiligt werden sollen. Schumacher: "Die Erfahrungen aus den letzten Jahren stimmen hier nicht sehr optimistisch. Die Verleger sind gegenüber den Journalisten in der deutlich stärkeren Verhandlungsposition."

Kritische Stimmen mehren sich

Tatsächlich fordert das Urheberrecht schon seit einigen Jahren von den Verlagen die Autoren bei der Einstellung von Texten im Netz "angemessen" zu beteiligen. In der Praxis mussten jedoch Autoren nach der entsprechenden Urheberrechtsnovelle zahlreiche Verträge unterschreiben, in denen sie den Verlagen das Recht dazu zugestanden ohne dafür eine Entschädigung zu erhalten. Nicht wenige Verlage drohten widerspenstigen Autoren damit, ihnen künftig keine Aufträge mehr zu geben, wenn sie nicht unterschrieben. Zwar wurden einige dieser Verträge vor Gericht erfolgreich angefochten, in der Praxis zogen die Verlage die Verträge dennoch nicht flächendeckend zurück.

Ob es wirklich zu einem Leistungsschutzrecht kommen wird, ist trotz Koalitionsschluss ungewiss. Denn innerhalb der Union und FDP mehren sich kritische Stimmen. Diese Woche wandte sich etwa der CSU-Abgeordnete Reinhard Brandl gegen das Ansinnen und pflichtete der Kritik des Donaukurier-Verlegers Georg Schäff bei. Schäff glaubt, dass das Leistungsschutzrecht den freien Wettbewerb aushebeln wird. Brandl fürchtete, dass das neue Recht das Grundprinzip des Internet, die kostenfreien Links, beschädige. Insbesondere die Abrenzung, was unter das Leistungsschutzrecht fallen soll und was nicht, ist problematisch.


Christiane Schulzki-Haddouti lebt und arbeitet als freie Journalistin in Bonn.