Neues Buch über den Kreuzestod als Heilsmittel
Jesus Christus am Kreuz - ein Blutopfer für einen rachgierigen Gott? Seit Jahrhunderten streiten Christen wie Nichtchristen um das richtige Verständnis von Karfreitag. Zwei evangelische Theologieprofessoren unternehmen einen neuen Anlauf.

Der Philosoph Friedrich Nietzsche (1844-1900) nannte das Kreuz von Jesus Christus den "Wahnsinn des Christentums". Selbst viele Theologen können mit der Aussage nichts mehr anfangen, dass Jesus als Sohn Gottes stellvertretend für die Menschen ein Sühnopfer gebracht habe. Der Neutestamentler Rudolf Bultmann (1884-1976) etwa sah in diesen Gedanken eine "primitive Mythologie". Zwei evangelische Theologen haben einen neuen Versuch unternommen, die biblische Botschaft vom Kreuz zu erklären.

Heinzpeter Hempelmann, Theologieprofessor und Stuttgarter Referent des EKD-Zentrums für Mission in der Region, und Michael Herbst, Theologieprofessor an der Universität Greifswald, erheben im Untertitel ihres Buches "Vom gekreuzigten Gott reden" einen hohen Anspruch: "Wie wir Passion, Sühne und Opfer heute verständlich machen können". Hempelmann sieht im Abschied vom Gedanken des stellvertretenden Sühnetods eine große Gefahr für die Theologie. Man trenne sich damit von Martin Luther und Johannes Calvin und mache das Karfreitagsgeschehen zum Gegenstand subjektiver Interpretationen.

Dagegen hatte der evangelische Theologieprofessor Klaus-Peter Jörns vor wenigen Jahren erklärt: Die Opfer- und Sühnetod-Lehre passe überhaupt nicht zur Verkündigung Jesu, "denn Jesus verkündigt die Liebe Gottes als etwas Unbedingtes". Jesus gehe davon aus, dass das Leben schwer ist, und verstehe Gottes Weisung als "Hilfe für uns Menschen, nicht um uns zu richten". Jörns: "Zu sühnen braucht niemand etwas, der an Gottes Liebe glaubt und um Vergebung bittet."

An aktuelle Themen wie "Organspende" anknüpfen

Das sehen Herbst und Hempelmann anders. Sünde sei mehr als eine moralische Verfehlung, selbst Gott könne sie nicht einfach übergehen oder verzeihen. Der brutale Tod am Kreuz mache deutlich, wie "böse und gefährlich" die Abwendung des Menschen von Gott sei. Dass die Botschaft von einem stellvertretend sterbenden Gottessohn nicht jeder verstehen kann, ist dem Autorenduo klar. So sei das Kreuz eine Schwierigkeit im Dialog mit Juden, Muslimen und großen Teilen des Buddhismus.

Herbst findet andererseits, dass die Verstehensprobleme für moderne Zeitgenossen oft überbewertet würden. Denn von Opfern ist auch in der Gegenwart immer wieder die Rede. Da wird ein Fußballtrainer als "Sündenbock" einer schwachen Mannschaft entlassen. Da spendet ein Politiker ein Organ für seine Ehefrau. In Filmen wie "Gran Torino" (2008) opfert der von Clint Eastwood gespielte Protagonist sogar sein Leben, um andere Menschen zu retten. Daran könne ein Prediger anknüpfen, wenn er das Opfer von Jesus Christus erklären wolle.

Wichtig ist den beiden Autoren, dass nur Jesus Christus als der Sohn Gottes die Menschheit durch seinen Tod am Kreuz erretten konnte. Er habe als Sündloser für die Sünden der Menschen bezahlt. "Den Versuch der Gottwerdung des Menschen beantwortet Gott mit der Menschwerdung Gottes." Insofern gebe es zum Kreuzestod als Heilsmittel keine Alternative.

Der Theologe Herbst empfiehlt, sich in der Predigt den biblischen Berichten erzählend zu nähern. Das Gespräch der beiden Männer, die neben Jesus gekreuzigt wurden, sei auch für den modernen Predigthörer interessant. Die Gebetsnacht, die Jesus vor seinem Tod verbrachte, könne viele Menschen heute anrühren, meint Herbst. Prediger müssten aber auch bei diesem schweren Thema das "elfte Gebot" beachten: "Du sollst nicht langweilen!"


Heinzpeter Hempelmann, Michael Herbst, Vom gekreuzigten Gott reden: Wie wir Passion, Sühne und Opfer heute verständlich machen können. 192 Seiten, 14,99 Euro. Brunnen-Verlag (Gießen).

epd