Wie viele Stunden er auf der Baustelle verbracht hat, hat Naum Kosarkoski nie nachgezählt. "Ich arbeite nicht für Geld, sondern dafür, dass meine Familie gesund bleibt", sagt der Elektriker aus dem hessischen Mörfelden-Walldorf. Der heilige Nikolaus von Myra soll das richten. Ihm zu Ehren entsteht inmitten trister Industriebetriebe und Bürobauten in einem Mainzer Gewerbegebiet zurzeit ein byzantinisches Kleinod - die erste mazedonisch-orthodoxe Kirche Deutschlands. Den über eine Million Euro teuren Bau finanziert die Gemeinde komplett aus selbst gesammelten Spenden - und mit Hilfe etlicher ehrenamtlicher Bauhelfer.
"Wir sind wie eine große Familie, die immer mehr Kinder bekommt", meint Mirce Filiposki, der 34-jährige Gemeindevorsitzende. Seit Baubeginn habe sich eine ganze Reihe neuer Gemeindemitglieder gemeldet, die alle mithelfen wollten. Dafür, dass viele Sponsoren plötzlich wie aus dem Nichts auftauchten und sich an dem Bauvorhaben beteiligen wollten, hat er bis heute keine richtige Erklärung. Zumindest keine, die ohne himmlische Kräfte auskommen würde. "Es passieren Dinge, die nicht normal sind", sagt der Unternehmer, der Inhaber einer Zeitarbeitsfirma mit mehreren hundert Mitarbeitern ist.
Zwei sechseckige Türme zu sehen
Seit der Grundsteinlegung im Herbst 2009 ist bereits eine Menge geschehen auf dem Grundstück am südlichen Stadtrand von Mainz. Mittlerweile ragen zwei sechseckige Kirchtürme in den rheinhessischen Himmel, und auch das angrenzende Gemeindezentrum mit der künftigen Priesterwohnung ist als Rohbau fertiggestellt. Ein Künstler aus Serbien soll in den kommenden Jahren in Handarbeit eine prächtige Ikonenwand gestalten.
"Das ist die erste Kirche, die wir bauen", erzählt Zoran Trajcev, dessen Firma gewöhnlich Mehrfamilienhäuser mit Eigentumswohnungen für deutsche Käufer errichtet. Dem Bauleiter, der bislang kein praktizierender Christ war, wurde die orthodoxe Kirche am Mainzer Stadtrand inzwischen selbst zu einer Herzensangelegenheit. Für die Arbeiten stellte er lediglich die Materialkosten in Rechnung.
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Als eine kleine Gruppe von damaligen Gastarbeitern aus der südlichsten Teilrepublik Jugoslawiens Anfang der 1990er Jahre in Mainz eine Kirchengemeinde gründete und sich in einer katholischen Kapelle zu Gottesdiensten traf, wäre noch niemand auf die Idee gekommen, jemals eine eigene mazedonische Kirche zu bauen. "Wir dachten ja, wir gehen wieder nach Hause", sagt Gründungsvorsitzender Jovan Zafirovski. Heute sind die älteren orthodoxen Christen, die die Geschicke der Gemeinde vor einigen Jahren an ihre Kinder übergeben haben, alle mächtig stolz auf deren Engagement.
"Überrascht, dass so viele junge Leute da sind"
Dennoch ist derzeit nicht absehbar, wie und wann die noch nötige Summe für die Fertigstellung der Kirche zusammenkommt. Momentan kann es sich die Gemeinde auch nur zu hohen Feiern wie dem Gedenktag ihres Namenspatrons, des heiligen Nikolaus, leisten, einen Priester aus Mazedonien einfliegen zu lassen. Bei solchen Terminen trifft sich die Gemeinde zum Schein vieler Kerzen in der künftigen Kirche. "Ich war überrascht, dass so viele junge Leute da sind", sagt Vater Fotij, ein Mönch mit langem wallenden Vollbart, der in einem Kloster in den Bergen lebt und nur für wenige Tage vom Balkan nach Deutschland gekommen ist.
Im Inneren des künftigen Gotteshauses wird noch kräftig gewerkelt. Ein Künstler aus Serbien soll in den kommenden Jahren in Handarbeit eine prächtige Ikonenwand gestalten.
Nach dem Willen der Mazedonier soll die eigene Kirche auch ein Ort werden, an dem die in Deutschland geborenen Kinder und Enkel der ersten Zuwanderer ihre Kultur bewahren können. Geplant ist etwa Sprach- und Religionsunterricht für die im Rhein-Main-Gebiet aufgewachsene dritte Zuwanderergeneration. "Wir wollen nicht, dass hier in 20 Jahren sonntags Liturgie gefeiert wird, aber keiner mehr ein Wort davon versteht", sagt Mirce Filiposki. Zugleich soll die orthodoxe Kirche "Sveti Nikola" nach dem Willen der Gemeinde einmal zum Kulturgut für alle Mainzer werden.
Bislang haben die Mazedonier mit der Stadt, aber auch mit den anderen christlichen Kirchen in Mainz überwiegend gute Erfahrungen gemacht. Doch ausgerechnet während des Gemeindefestes an einem Sonntagnachmittag verteilte das Ordnungsamt massenweise Knöllchen an die orthodoxen Christen, die in dem menschenleeren Gewerbegebiet nicht alle korrekt geparkt haben. Etliche verlassen die Feier darum hastig wieder, sehr zum Ärger des Gemeindevorstands. Der hatte damit gerechnet, dass die Besucher noch ausgiebig essen, trinken und spenden würden. "Wir brauchen doch gerade jeden Euro", schimpft Filiposki über die unbarmherzigen Verkehrswächter.