Großfamilien, die zusammen auf 15 Quadratmetern in Wellblechhütten wohnen, Müllberge, die sich neben Kindergärten auftürmen, Kinder, die auf dreckigen Matratzen im Freien spielen, und überall der bissige Geruch von Dreck, Hitze und zu vielen Menschen auf zu wenig Raum. In den Townships unweit vom Kap der guten Hoffnung findet man viele Gründe, keine Hoffnung mehr zu haben.
Klein & kreativ: Kinder des Township-Kindergartens in Grabouw beim Malen. Foto: Siola-Cinta Panke
Eines dieser Townships liegt in der Gemeinde Grabouw, etwa 70 Kilometer von Kapstadt entfernt. Es gibt wenige Touristen, die sich hierhin verirren. Einer, der gekommen ist um zu helfen, ist Florian Kaiser. Er belebt die Hoffnung der Bewohner. Gemeinsam mit 26 Kommilitonen ist der Architekturstudent aus Stuttgart vor sechs Wochen nach Grabouw gereist. In Zusammenarbeit mit "Thembalitsha", einer südafrikanischen Nichtregierungsorganisation, war es ihr Ziel, im organisationseignen "Village of Hope", direkt neben dem Township, ein Haus für zukünftige Helfer zu errichten. "Ein ehrgeiziger Plan, bei dem wir selbst nie sicher waren, dass wir ihn in dieser Zeit wirklich realisieren können", sagt Florian.
Viele Aids-Waisen leben hier
Thembalitsha will vor allem den Kindern im Township helfen. Im Kinderheim im Village of Hope leben viele Aids-Waisen, an HIV oder Tuberkulose erkrankte Kinder. Dort versorgen die Mitarbeiter sie mit den notwendigen Medikamenten und bieten ihnen eine möglichst unbeschwerte Kindheit. Doch die Unterkünfte sind maßlos überfüllt. "Im vergangenen Jahr haben Kommilitonen bereits ein erstes Haus für die Helfer errichtet. Das ist so wichtig, weil die Helfer bisher mit den Kindern im Heim zusammenleben und damit gleichzeitig Platz für weitere hilfebedürftige Kinder wegnehmen. Unsere Häuser ermöglichen es der Organisation, mehr Kinder aufzunehmen", erzählt Florian.
Als das Projekt an der Universität Stuttgart ausgeschrieben wurde, hat der 25-Jährige nicht lange gezögert. "Nach elf Semestern Architekturstudium ist man es irgendwann leid, seine Entwürfe nur auf dem Papier zu sehen und sie nach der Bewertung in den Müll zu schmeißen", erklärt er. "Außerdem hat mich Südafrika schon immer fasziniert." Mit der Arbeit am Projekt hat der Student schon im vergangenen Jahr begonnen. In Deutschland haben die Studenten Firmen angeschrieben und Spendenaktionen organisiert um das Projekt finanzieren zu können. "Für uns war es wichtig, die Kosten für den Bau so gering wie möglich zu halten", erzählt Florian
Hausbau als Jobmaschine
Die Studenten fanden einen Weg, das Haus mit günstigen Materialien zu bauen: Für die Wände haben sie überwiegend Stroh und Lehm verwendet. Das Haus, das nun bis zu vier Helfern eine Unterkunft bietet, hat 35.000 Euro gekostet. Bezahlt wurden davon hauptsächlich die Baumaterialien und die Mitarbeiter aus dem Township.
Bild links: Das gemeinsam gebaute Haus. Foto: Siola-Cinta Panke
"Wir wollten die Menschen aus dem Township unbedingt mit ins Boot holen. Auf diese Weise entstand ein unmittelbarer Austausch. Wir haben viel von ihnen gelernt und die Männer hatten wenigstens für ein paar Wochen einen für dortige Verhältnisse gut bezahlten Job", erklärt der 25-Jährige.
Durch die geringen Gesamtkosten für das Haus blieb sogar noch Geld übrig, um ein weiteres, spontan entstandenes Projekt zu realisieren. Beim Besuch im Grabouwer Township sind die Studenten auf einen Kindergarten in einem ausrangierten Schiffscontainer gestoßen. Da die Regierung den Townships diese Container kostenlos zur Verfügung stellt, findet man sie hier an jeder Ecke. Dass ein Dach über dem Kopf allein manchmal nicht ausreicht, hat Florian gemerkt, als er mit der Erzieherin ins Gespräch kam. "Sie hat uns erzählt, dass sich der Container im Sommer im Inneren auf bis zu 50 Grad aufheizt." Sich dann noch auf das Lernen zu konzentrieren, sei nahezu unmöglich.
Wind zwischen Segel und Dach kühlt die Luft ab
In kürzester Zeit hat Florian einen Entwurf für ein Dachsegel über dem zwölf Meter langen und zweieinhalb Meter breiten Container gezeichnet. "Durch den Wind, der zwischen Segel und Containerdach weht, kühlt sich die Luft ab und der Container heizt sich nicht mehr so sehr auf", erklärt Florian. Nachdem die Studenten die Baugenehmigung eingeholt haben, begannen sie mit der Errichtung. Zwölf weitere Township-Bewohner bekamen einen Job. "Es ist ein seltsames Gefühl, wenn 30 Männer am Zaun stehen und sich verzweifelt um den Job bewerben. Ich war jünger als die meisten von ihnen und wusste, dass jeder von ihnen das Geld wirklich braucht", gesteht Florian.
Bild links: Florian Kaiser. Foto: Siola-Cinta Panke
In sechs Wochen hat Florian gemeinsam mit den Männern aus dem Township beim Aufbau der Holzpfeiler geschwitzt, er hat die Menschen in der Nachbarschaft kennengelernt und die 26 Kinder im Kindergarten ins Herz geschlossen. "Es war für mich eine unfassbar wertvolle Erfahrung, zu erleben, wie schnell wir im Township Anschluss gefunden haben. Menschen, die fast nichts besitzen, haben uns nach der Arbeit zum Braii, so nennt man hier ein Barbeque, eingeladen und uns ein Bier vorbeigebracht", erzählt der Architekturstudent. Wenn Florian durch das Township läuft, braucht er Zeit. Denn immer wieder trifft er Menschen aus dem Township, die er in den vergangenen Wochen kennengelernt hat und die ihn begrüßen wollen.
Die Arbeit direkt im Township war den Architekturstudenten besonders wichtig. Er wollte die Grenze zwischen zwei Welten bewusst überschreiten. Einmal war er als einziger Weißer in einem Township-Pub. "Einer der Männer hat mich im Sekundentakt nach Geld gefragt. Natürlich nervt es, wenn man manchmal nur als laufender Dollarschein wahrgenommen wird." Dennoch sei er den Menschen so nah gekommen, wie er es selbst nicht vermutet hätte. "Einer Frau habe ich einmal erzählt, dass ich Graffitis mache. Sie hat mir direkt vorgeschlagen, ihre Hütte zu besprühen. Sie hat nicht einmal gefragt, welches Motiv es wird. Sie hat mir einfach vertraut", erzählt Florian. Nun ziert Nelson Mandela ihre Wellblechhütte. "Sie war total glücklich, als sie das Ergebnis gesehen hat", erzählt Florian stolz.
Streik für bessere Bedingungen in den Schulen
Ob das Kindergarten-Projekt tatsächlich fertiggestellt werden kann, war selbst wenige Tage vor der Abreise der Studenten unklar. Die Bewohner im Grabouwer Township haben in der vergangenen Woche für bessere Bedingungen in den völlig überfüllten Schulen gestreikt. Sie haben Barrikaden errichtet und Brände gelegt.
Bild links: Nelson Mandela an einer der Hütten im Township. Foto: Siola-Cinta Panke
"An diesem Tag durfte keiner von uns ins Township. Es gab mehrere Verletzte und einige von uns haben auch Schüsse gehört", so Florian. Dennoch habe er nie am Sinn seiner Arbeit am Projekts gezweifelt. Drei Tage vor seinem Rückflug hat Florian das letzte Segel der etwa 2.000 Euro teuren Dachkonstruktion aufgebaut.
Sechs Wochen seiner Semesterferien hat Florian nun in Südafrika verbracht. Es gab keine Vergütung, selbst für die Flüge, Unterkunft und Verpflegung mussten er und seine Kommilitonen selbst aufkommen. "Aber es hat sich gelohnt. Ich habe gesehen wie meine Entwürfe zum Leben erweckt wurden. Und das an einem Ort, der jede Hilfe gebrauchen kann", erzählt Florian und schaut stolz auf das fertige Dachsegel des Kindergartens. Er würde gerne noch einmal wiederkommen. "Mein großes Ziel ist es, dass die Menschen hier irgendwann selbst in der Lage sind, diese Dächer über die vielen Container im Township zu bauen," sagt Florian. "Das hier soll erst der Anfang sein."
Siola-Cinta Panke ist seit Februar 2012 auf Weltreise und berichtet darüber in ihrem Internetblog "Quadratur der Reise". Mehr über das Township-Projekt in Kapstadt erfahren Sie hier.