Erlösung - "losgelöst von allem Wollen und Wünschen"
"Erlöst genug?" Den Glauben als Geschenk annehmen" - das ist das letzte Wochenthema der evangelischen Fastenaktion "7 Wochen Ohne". Wann und warum fühlen Menschen sich erlöst? Und was hat das mit ihrem Glauben zu tun? Vier Antworten.

Antje Siebert ist evangelische Gefängnisseelsorgerin in der JVA Dresden, Sachsen.

Erlöst habe ich mich gefühlt, wenn ich loslassen konnte: zum Beispiel eine bestimmte Sicht auf die Dinge. Oder dass ich in unklaren Situationen zuversichtlich sein und gelassen nach vorn schauen konnte.
Erlöst fühle ich mich auch, wenn alte "Geister" aus der Lebensgeschichte ihre Macht verlieren: Kreisläufe, die fest hielten, die mich hinderten, mutig weiter zu gehen und die mir geschenkten Gaben auch zu nutzen.

Dann kann ich Gleiches auch anderen Menschen besser lassen. Wo ich mich erlöst fühle, wächst Frieden. Den wünsche ich mir auch im Blick auf die Welt: Dass Menschen von ihren Verletzungen im Herzen geheilt werden - zum Beispiel die Gefangenen, denen ich in meiner Arbeit begegne: dass sie sich gesehen, wert geschätzt und angenommen wissen - so, wie sie sind.

Mich befreit der Glaube, dass ich durch Christus nicht selbst meine Erlöserin sein muss. Ich trage an meiner Geschichte und an der meiner Vorfahren. Meine Lebensschritte gehen manchmal kräftig nach hinten los. Ich falle aus dem Rahmen der Gebote Gottes - mit Folgen. Die muss ich tragen, aber ich kann immer wieder neu beginnen und muss mich deshalb nicht selbst zermartern. Wenn ich das empfinden kann, fühle ich mich Gott besonders nahe. Gott trägt mich, ich kann loslassen und muss nicht alles selbst zu Werke bringen - Erlösung!


Dr. Christoph Kern ist Oberarzt und arbeitet auf der Palliativstation des DRK-Krankenhaus in Alzey, Rheinland-Pfalz.

Schon oftmals habe ich mich in meinem Leben erlöst gefühlt. Vor meinem 50. Geburtstag habe ich eine Woche lang gefastet, geschwiegen und meditiert und an meinem Geburtstag selbst morgens früh alleine ein Fastenbrechen mit einem Apfel durchgeführt. Dieses Gefühl der Befreiung und Leichtigkeit war damals für mich sehr überwältigend.

Als ich die 1000 km nach Santiago gepilgert bin, hatte ich in der großen Kathedrale ein ähnliches Gefühl. Ich zitiere aus meinem Buch – Mein Jakobsweg - "Plötzlich erhob die Orgel unter der ich saß, Ihre gewaltige Stimme und all die Töne , die tiefen Bässe und die höchsten Mixturpfeifen verschmolzen mit meinen Gedanken über die Wolken des Himmels, über das Eilen und das Verweilen, das Aufsteigen, das Herunterfallen, über das Vor und Zurück. Bei mir ergoss sich ein Schwall von Tränen ich weiß nicht warum, vielleicht Erleichterung, vielleicht Freude, vielleicht das Loslassen meines anstrengenden Weges, vielleicht auch einfach weil es total überwältigend war hier in Santiago de Compostella in der Kathedrale zu sitzen, die Orgel spielen zu hören. Alle Pilger sangen gemeinsam, das war einfach zu viel. Ich konnte dem Strom der Tränen nicht Einhalt gebieten, wollte es auch nicht, ich ließ es laufen, die Wangen hinunter bis mein ganzer Bart durchnässt war. Es war einfach nur gut zu weinen, zu weinen, zu weinen. Mit jeder Träne war es, als öffne sich in mir eine neue Tür. Ja, zum Schluss waren es ganze Schleusen durch die sich wahre Gebirgsbäche, geformt von Tropfen, ergossen."

Am meisten sehne ich mich danach, erlöst zu sein, losgelöst zu sein von allem Wollen und Wünschen, von allen Zielen und Vorstellungen, einfach wahrnehmen zu können was gerade ist und dazu sagen: so ist es gut. Erlösung hat ist für mich ein spirituelles Bewusstsein im Sinne von Loslassen der Anhaftungen an die Dinge dieser Welt, jedoch ohne die Bodenhaftung auf dieser Welt zu verlieren.


Claudia Cloos, 53, hat im vergangenen Jahr ein "neues" Herz bekommen. Sie lebt mit ihrem Mann in Ebsdorfergrund, Hessen.

Gottes Erlösung ist nicht immer sofort für uns Menschen zu erkennen! Als junge Frau bekam ich keine Kinder und habe mit Gott und dem Schicksal gehadert. Nach 19 Jahren Therapie, als ich 41 und 42 Jahre alt war, machte Er es möglich, dass ich schwanger wurde, aber Er nahm mir die beiden Kinder noch vor ihrer Geburt. Mein Mann und ich waren sehr traurig. Heute, da wir wissen, dass wir beide herzkrank sind, bedeutet es eine Befreiung, denn es wäre für uns körperlich sehr schwer gewesen, immer für die Kinder da zu sein. Gott hat uns von dieser großen Verantwortung befreit, nicht ohne Grund! Wir wurden "erlöst".

Verstärkt wurde diese Erlösung im letzten Jahr, 2011, als meine Herzleistung innerhalb zweier Monate auf 10-15 Prozent sank und die Ärzte mir sagten, dass ich zum Weiterleben ein neues Herz benötige. Die Entscheidung, die wichtigen Voruntersuchungen durchführen zu lassen, traf ich sehr schnell, denn auf meine Gebete, in denen ich Gott um Entscheidungshilfe bat, gab er mir, im Beten und durch meinen Mann die Zusage: "Dies ist dein Weg; ich werde bei dir sein und dir helfen. Ich gebe dir deinen Mann und viele andere Menschen zur Seite". Diese Antwort war für mich eine "Erlösung". Ich brauchte diesen siebenmonatigen Weg bis zur Transplantation im Krankenhaus und den einmonatigen Reha-Aufenthalt nicht alleine zu gehen, ich konnte "befreit" meine Entscheidung treffen und bereue sie nicht.

Natürlich gab es Stunden und Tage, an denen mir doch Zweifel kamen: Ist es wirklich richtig, darauf zu hoffen, dass ein anderer Mensch stirbt, um mir sein Herz zu geben? Geht alles gut bei der Operation? Wie wird "das Leben danach?" Darf ich meinem Mann zumuten, dieses Sorgen um mich, die viele Arbeit zuhause, die Sorgen um meine Eltern zu übernehmen? Überlaste ich ihn nicht damit? Sollen wir uns trennen und ich meinen Weg alleine gehen?

Mit diesen Gedanken erschreckte ich meine Klinikseelsorgerin und meinen Mann sehr. Aber nach Gesprächen miteinander erlöste mich mein Mann von meinen Bedenken: "Ich liebe dich, wir gehören vor Gott und den Menschen zueinander; und wir gehen diesen Weg gemeinsam." Die größte und bedeutendste Erlösung erfuhr ich dann am 17.11.2011, als ich "mein neues Herz" erhielt. Ich wurde von meinem kranken Herzen "befreit" und mir ein "neues" geschenkt. Dafür danke ich Gott, dem/der Spender(in) und dem Ärzteteam von ganzem Herzen.


Dr. Martin Müller ist Facharzt für Allgemein- und Notfallmedizin in Neunkirchen, Nordrhein-Westfalen. Als ehrenamtlicher Mitarbeiter hat er mit Humedica und anderen Organisationen bisher zehn Auslandseinsätze in Krisengebieten absolviert.

Erlösung bedeutet in erster Linie, von Negativem befreit zu werden. Nach dieser Definition habe ich mich schon öfter erlöst gefühlt. Die Heilung von einer lebensbedrohlichen Erkrankung vor vielen Jahren gehört zu diesen Erfahrungen. Die Mitteilung, eine Prüfung bestanden zu haben, war für mich in meiner Studienzeit immer eine Art von Erlösung und Befreiung von der Prüfungsanspannung.

In meiner Tätigkeit als Arzt, sowohl in meiner Praxis, als auch bei Einsätzen in Katastrophengebieten gab es immer wieder Erlebnisse im Umgang mit schwer leidenden Patienten, denen ich helfen konnte, sie von physischen und psychischen Nöten zu befreien oder diese zu lindern. Häufig erlebte ich im Rahmen von intensiver Sterbebegleitung auch die letzte Phase im Leben von Menschen. Beeindruckend war dabei für mich immer, Patienten zu erleben, die in dieser schweren Zeit als Christen im Bewusstsein ihrer Erlösung durch die Versöhnung durch Jesus Christus "nach Hause" gehen durften.

Zum Thema "Erlösung" fällt mir ein in meiner Jugend schon erlernter Bibelvers ein: "Denn alle haben gesündigt und erlangen nicht die Herrlichkeit Gottes und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die ERLÖSUNG, die in Jesus Christus ist." (Römer 3,24). Erst später begriff ich, dass ich diese Erlösung ganz persönlich nötig habe, um von dem Trennenden, was zwischen Gott und mir bestand, befreit zu werden.