Auge in Auge mit Che: Kuba erwartet den Papst
Am Montag triff Papst Benedikt XVI. in Kuba ein. Das sozialistische Regime will regimekritische Kundgebungen während der Visite auf jeden Fall verhindern. Oppositionelle hoffen derweil auf eine ermutigende Geste des Kirchenoberhauptes.
25.03.2012
Von Fred Meister

Kubas Hauptstadt Havanna schmückt sich für den kommenden Papstbesuch: Die Laternenpfosten sind mit bunten Tüchern geschmückt, die zerfallenden Kolonialhäuser der Altstadt notdürftig angestrichen, Bettler von den Straßen verbannt. 14 Jahre ist es her, dass Johannes Paul II. als erster Papst die kommunistisch regierte Insel besuchte. Damals brauchte das nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wirtschaftlich gebeutelte Kuba dringend den Zuspruch des Papstes.

Diesmal aber - bei der am Montag beginnenden Visite Benedikt XVI. - scheint die Regierung unter Raúl Castro die Bedingungen zu diktieren. Symbolisch ist die Lage der Tribüne, von der aus Benedikt am Mittwoch auf Havannas Platz der Revolution die Messe liest. Der Heilige Vater wird dann zur Ikone des kubanischen Sozialismus aufblicken müssen, dem verstorbenen Che Guevara. Denn Kubas Behörden haben die Papsttribüne diesmal direkt gegenüber dem Verteidigungsministerium errichtet. Und dessen Fassade ziert ein überlebensgroßes Che-Porträt.

Am Montag trifft Benedikt von Mexiko kommend in Santiago ein, im Osten Kubas. Von dort reist er am Dienstag nach Havanna weiter, von wo aus er am Mittwoch in den Vatikan zurückkehrt. Sicher wird von Benedikt die eine oder andere kritische Bemerkung zu hören sein. Bereits vor seinem Abflug nach Lateinamerika am Freitag warnte er, der Marxismus habe sich überholt.

"Die Repression steigt stündlich"

Ansonsten ist das Drehbuch für seine Kubareise im Sinne des Regimes. Spezialtrupps der Kommunistischen Partei werden bei den Massenmessen allgegenwärtig sein. Sollte es zu spontanen Kundgebungen kommen, werden sie sofort eingreifen. "Kubas Regime will die Papstmessen unter seine Kontrolle bringen", sagt Oswaldo Payá, Kopf des christlich-konservativen Flügels der Opposition. Und Elizardo Sánchez von der kubanischen Menschenrechtskommission warnt gar: "Die Repression steigt stündlich."

Regimegegner in Kuba fordern einen klaren Positionsbezug des Papstes. Eine Unterredung des Kirchenoberhauptes mit der Oppositionsgruppe "Damen in Weiß" aber lehnte die Kirche ab. In einem diese Woche veröffentlichten offenen Brief mit rund 700 Unterschriften appellierte die Opposition schließlich an den Papst, wenigstens die Menschenrechtslage klar anzusprechen. Denn Benedikts Anwesenheit drohe vom Regime als Freibrief für weitere Repression missverstanden zu werden.

Kubas Katholiken sind auf Regime angewiesen

Vor knapp zwei Jahren erreichte Kubas katholische Kirche die Zusage des Staatschefs Raúl Castro, zahlreiche politische Häftlinge freizulassen. Großer Vermittler war Havannas Kardinal Jaime Ortega, der seit Jahrzehnten Schritt für Schritt mehr Freiraum für Kubas Katholiken erkämpft - so etwa 1998 die Wiedereinführung von Weihnachten mit dem Besuch von Johannes Paul II. Doch zugleich sind die Katholiken auf der Karibikinsel schwach. Es gibt nur 300 Priester. Und gerade einmal zwei Prozent der elf Millionen Einwohner praktizieren den katholischen Glauben wirklich regelmäßig, schätzt die Kirche.

1998 war Papst Johannes Paul II. in Havanna. und traf dort den (noch gesunden) Fidel Castro. Foto: dpa/Arturo Mari

So ist die Kirche auch auf das Regime angewiesen. Deutlich wird das mit den regelmäßigen Bücklingen Ortegas. Anfang März las er dem damals zur Krebsoperation in Havanna weilenden venezolanischen Präsident Hugo Chávez die Messe.

Unter Druck sind Kubas Katholiken nicht nur von Seite des Regimes, sondern auch durch die wachsenden protestantischen, vor allem evangelikalen und charismatischen Kirchen. 55 davon gibt es derzeit in Kuba. 32 davon sind im streng linientreuen kubanischen Kirchenrat organisiert. Zentrale Figur ist hier der Baptistenpfarrer Raúl Suárez, Abgeordneter in Kubas Parlament und berüchtigt für seine fantastischen Lobgesänge auf Fidel Castro.

Politisch wird nicht viel erwartet

Der Papstbesuch ist damit auch eine Rückenstärkung für die Katholiken Kubas, und die wissen das zu schätzen. "Er wird Kuba segnen, und das ist gut so", freut sich Gustavo Ramírez (Name geändert), ein 53-jähriger Koch und gläubiger Katholik. Ähnlich die Äußerung einer 82-jährigen Rentnerin. Sie freut sich besonders darüber, dass Benedikt zuerst am Montag in Santiago die Nationalheilige Kubas aufsuchen wird, die Barmherzige Jungfrau von Cobre, deren Erscheinung sich gerade zum 400.
Mal jährt.

Auch viele Kubaner, die sich Atheisten nennen, zeigen sich begeistert über die Papstvisite. Die werde der Karibikinsel einfach guttun, so die vorherrschende Meinung auf der Straße. Und ganz gleich, ob Benedikt zum Che nur aufblicken wird oder er ihn vielleicht auch abkanzelt - politisch scheint man nicht viel zu erwarten. "Das wird weder der Regierung noch der Opposition nützen", sagt Koch Ramírez - und die meisten weiteren Kubaner auf der Straße pflichten ihm bei.

epd