"Ich bin atypisch hier", meint Prof. Dr. Gregor Simonis, Oberarzt im Dresdener Herzzentrum, mit Blick auf die über 1.400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 3. Christlichen Gesundheitskongresses. "Ich arbeite mehr in der Medizinfabrik, in einem mit Technik vollgestopften Raum und mit Patienten, die nicht mit mir sprechen können." Durch seine spezielle Aufgabe hat er auch nicht mit den Angehörigen zu tun.
Doch er betet für Patienten, wie er in einem der 60 Kongress-Seminare zusammen mit einem Allgemeinmediziner aus Göttingen vermittelt. "Sehr häufig Stoßgebete im Vorbeigehen. Für die richtigen Entscheidungen, für das Gelingen meines handwerklichen Tuns." Im Kollegenkreis falle er wegen seines Lebensstils auf. Was ihm wichtig ist? "Wenn ich einen Fehler mache, dass ich das vor Jesus bringen kann."
Ein Viertel der Teilnehmer sind Ärzte, ein weiteres Viertel Therapeuten oder Seelsorger, ein Drittel Pflegekräfte. Veranstaltet wird der Kongress von einer konfessionsverbindenden Initiative, den "Christen im Gesundheitswesen". Zum Vorstand gehören der Hamburger evangelische Internist Georg Schiffner, die Münchener katholische Diplom-Pflegewirtin Annette Meussling-Sentpali und der Braunschweiger freikirchliche Pastor Heinrich Christian Rust.
Das Bild vom perfekten Menschen
Prominentester Redner des Auftaktplenums am Donnerstag war Klaus Dörner, ehemaliger Leiter des Landeskrankenhauses Gütersloh. Er führte aus, wie sich die Krankenhäuser aus den Hospizen der Klöster entwickelten und sich seit der Aufklärung und verstärkt seit dem Beginn der Moderne mit der Industrialisierung die Wege von Medizin und Glauben trennten. Die dem Paradies entstammende "Sehnsucht nach dem perfekten Menschen" habe zu einem technischen Machbarkeitswahn geführt.
Georg Schiffner, Annette Meussling-Sentpali und Heinrich Christian Rust (v. l.). Foto: Katharina Weyandt
Angesichts der Tatsache, dass die Medizin aus immer mehr ehemals tödlichen nun chronische Krankheiten macht, mit denen die Menschen lange leben, fragte er: "Könnte es sein, dass wir uns in einem tief greifenden Epochenumbruch befinden - vom fortschrittsbewussten Leitbild des perfekten Menschen hin zum endlichkeitsbewussten imperfekten Menschen?"
Auch der Demografie-Experte Bernd Raffelhüschen konfrontierte den Kongress mit harten Fakten zur Zukunft der Sozialsysteme und der Kirchensteuer in einer Gesellschaft, die erstmals als Ganzes altert.
Themen wie die Frage nach Pflege und Begleitung im Leiden, nach dem Umgang mit Demenz, Depression und Sterben waren bewusst in den Vordergrund der Tagung gerückt worden. Breit wurde die neu entdeckte Spiritualität in der Pflege behandelt, darunter ein soeben entwickelter Kurs für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter "DiakonieCARE", der demnächst auch in der Caritas eingesetzt wird.
"Ungewöhnlicher Heilungsverlauf" nach Gebet
Oberkirchenrätin Cornelia Coenen-Marx beschrieb den Traditionsverlust in der Diakonie, der durch neue Ethik- und Palliative-Care-Bewegungen wieder gefüllt werde. Pastor Rust betonte in seinem Referat, dass im Unterschied zur allgemein spirituellen Dimension, deretwegen etwa Krankenkassen einen Yogakurs bezahlten, die christliche Spiritualität durch die Dimension der "Kräfte des Himmels" gekennzeichnet sei. Auch er selbst hat einen "ungewöhnlichen Heilungsverlauf" erlebt - jedenfalls bezeichnete die Uniklinik seine Gesundung nach einem Gebet so.
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Das erste Thema des Kongresstitels "Heilen und Begleiten" wurde am Donnerstag mit einem biblischen Impuls des württembergischen Landesbischofs Frank Otfried July eröffnet. Das sei ein Lebensthema für ihn, bekannte er. Als Student habe er den Vers "Ich bin der Herr, dein Arzt" zwar übersetzen gelernt, aber sei der Bedeutung gegenüber blind geblieben. Das habe sich durch verschiedene Begegnungen geändert, etwa durch Heilungsgottesdienste, die er in Westafrika erlebte.
Während die Lobpreisband aus dem sächsischen Chemnitz auftrat, konnte July seinen alten Professor Jürgen Moltmann umarmen. Der 86-jährige Tübinger Theologe verdeutlichte seine Haltung nach seinem Referat zu "Heilung – hier und jetzt?" noch in der Antwort auf Teilnehmerfragen: "Die Bedeutung der Heilungsgeschichten im Neuen Testament beschränkt sich nicht nur auf ein abseitiges Nahostviertel vor 2000 Jahren, sondern sie ist eine Ermächtigung durch den lebendigen Christus, die wir erfahren und ergreifen können." Die Afrikaner, von denen Bischof July gesprochen habe, hätten das sehr wohl verstanden.
Katharina Weyandt arbeitet als freie Journalistin für evangelisch.de.