An den roten Taschen sind die Aktivistinnen zu erkennen - als Symbol für die roten Zahlen in den Geldbörsen der Frauen. Denn Frauen verdienen in Deutschland durchschnittlich 23 Prozent weniger als Männer. Mit dem "Equal Pay Day" erinnern sie am 23. März an diese Tatsache und machen etwa mit "Smartmobs" in ganz Deutschland darauf aufmerksam. Nur: Laut Statistischem Bundesamt in Wiesbaden hat sich an dem Abstand von 23 Prozent zwischen dem Verdienst von Frauen und dem von Männern auch im vergangenen Jahr nichts geändert. Deutschland zählt damit in Europa zu den Schlusslichterm in Sachen gerechter Bezahlung
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Das Datum 23. März markiert den Tag, bis zum dem Frauen über den Jahreswechsel hinaus arbeiten müssen, um auf den gleichen Verdienst zu kommen wie Männer im Vorjahr. Warum ist das so? Die Ursachen liegen vor allem im überalterten Rollenbild der Frau, sagt etwa die Organisation Business and Professional Women. Es sei nicht nur die Verteilung der Familienarbeit, die den Frauen die Hauptlast in der Versorgung von Haushalt und Kindern aufbürde. Auch die Berufswahl und das spätere Erwerbsverhalten spielten eine wichtige Rolle. In der Tat wählen Frauen oft schlecht bezahlte Frauenberufe und unterbrechen ihre Erwerbsarbeit, um Kinder großzuziehen. Sie arbeiten danach häufiger als Männer in Teilzeit, und sie streben seltener nach Führungspositionen, um die Familie nicht zu vernachlässigen.
Dumpinglöhne für Frauen - wieso eigentlich?
Die Gewerkschaften machen die Ursachen auch noch an anderen Stellen aus. "Der Niedriglohnsektor ist weiblich", sagt etwa die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung und Schirmherrin der gewerkschaftlichen Aktionen, Jutta Allmendinger. Frauen würden häufig mit Dumpinglöhnen abgespeist und seien besonders zahlreich in tariffreien Branchen beschäftigt. Dass mit der niedrigen Entlohnung auch die Gefahr steige, nach der Erwerbstätigkeit in die Altersarmut abzusinken, sei ein weiterer Negativeffekt.
Für die Gewerkschaften sind diese Zustände ein Anlass, ihre Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro pro Stunde zu bekräftigen - und der Politik in dieser Hinsicht Untätigkeit vorzuwerfen. Es genüge nicht, jedes Jahr von neuem die ungleiche Bezahlung zu analysieren, die Entgeltlücke müsse endlich geschlossen werden. "Frauen verdienen mehr!", heißt daher die gewerkschaftliche Parole. Ilka Briest, Frauensekretärin bei Verdi Hessen, hält auch ein Gesetz zur Entgeltgleichheit für nötig. Nur damit könnten die Bemühungen um gerechte Entlohnung vorangebracht werden.
Verdacht der Diskriminierung
Alle genannten Faktoren können jedoch nur etwa zwei Drittel des Lohnabstands erklären. So wecken die übrigen acht Prozent Entgeltabstand den Verdacht der Diskriminierung. Sind typische Frauenberufe weniger wert als gleichwertige Arbeit von Männern? Tätigkeiten, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden, müssten neu und mit anderen Augen bewertet werden, sagt Ilka Briest. Wenn in der Altenpflege körperlich harte Arbeit verrichtet werde – etwa das Heben und Umdrehen von Pflegebedürftigen –, so sei dies auch nicht leichter, als wenn etwa Männer schwere Werkstücke in einer Fabrik stemmen müssten.
"Es geht um mehr Gerechtigkeit in der Bewertung", sagt Ilka Briest und empfiehlt, mit längst entwickelten Analyseinstrumenten an die unterschiedlichen Tätigkeiten heranzugehen. Wer das selbst überprüfen möchte, kann sich auf der Internetseite www.eg-check.de kundig machen.
Trotz der genannten Befunde fehlt es nicht an Anerkennung für die Forderung nach mehr Lohngerechtigkeit. So unterstützt das Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend seit Jahren die Verleihung des "Total E-Quality"-Prädikats. Wirtschafts-, Verwaltungs- und Wissenschaftsorganisationen und -verbände erhalten die Auszeichnung, wenn sie erfolgreich Chancengleichheit umsetzen. Und vor allem die Frauen in der Politik werden nicht müde, den Wert von Frauenarbeit zu betonen. Ob es vielleicht im nächsten Jahr nicht mehr der 23. März, sondern schon der 2. März oder gar der 8. Februar sein wird, an dem Frauen erneut ihren Anspruch auf gleichen Verdienst wie die Männer geltend machen?
Lieselotte Wendl arbeitet als freie Journalistin in Frankfurt.