TV-Tipp des Tages: "Mordkommission Istanbul"
Irgendjemand hat es auf drei Männer abgesehen, die vor rund zehn Jahren eine Anhalterin überfahren und sich aus dem Staub gemacht haben. Verurteilt wurde schließlich ein unbeteiligter betrunkener Autofahrer.
23.03.2012
Von Tilmann P. Gangloff

"Mordkommission Istanbul: Blutsbande", 24. März, 20.15 Uhr im Ersten

Die Krimis aus Istanbul sind genauso ein Kunstprodukt wie die anderen Auslandsreihen, die die ARD-Tochter Degeto produzieren lässt. Ganz egal, ob die Kommissare La Brea, Brunetti oder Toni Costa heißen und in Venedig, Paris oder auf Ibiza ermitteln: Das Strickmuster ist immer das gleiche. Die Fälle mögen auch mal grausam sein, aber die Bilder sind nie brutal; Sex und Gewalt sind strikt verpönt. Und wenn’s doch mal allzu spannend wird, gibt’s zur Entspannung großartig fotografierte Impressionen von Stadt, Land und Fluss oder Meer.

Selbstredend leben die Reihen aber noch stärker vom jeweiligen Protagonisten, auf den die Geschichten konsequent zugeschnitten ist. Auch das ist natürlich legitim, erst recht, wenn jemand wie Erol Sander im Zentrum der Filme steht. Man schaut ihm einfach gerne zu, und das nicht nur, weil er gut aussieht; er ist in jeder Hinsicht die ideale Besetzung für den Istanbuler Ermittler Mehmet Özakin.

Wer ist der dunkle Rächer?

Dass die Filme mittlerweile nur noch nach Motiven der Autorin Hülya Özkan entstehen, tut ihrer Qualität keinen Abbruch, zumal sich die Drehbücher von Anfang an strikt an der beliebten ABC-Dramaturgie orientierten: A wie Abenteuer (der Mordfall), B wie Beziehung (Özakins Ehe) und C wie Comedy (die Erlebnisse seines Assistenten Mustafa). In dieser Rachegeschichte sind die drei Ebenen besonders geschickt miteinander verknüpft (Buch: Mathias Klaschka): Irgendjemand hat es auf drei Männer abgesehen, die vor rund zehn Jahren eine Anhalterin überfahren und sich aus dem Staub gemacht haben. Verurteilt wurde schließlich ein unbeteiligter betrunkener Autofahrer.

Nach den Ermordungen eines Bauunternehmers und eines Archäologen findet Özakin einen Hinweis darauf, wann sich die Wege der beiden Opfer erstmals gekreuzt haben: Sie waren gemeinsam beim Militär und haben das Ende der Dienstzeit feuchtfröhlich gefeiert; an jenem Abend, als die junge Frau gestorben ist. Dritter im Bunde ist ein Popstar, der aber keinerlei Anstalten macht, auf Özakins Warnungen zu hören.

Krimi-Profis werden alsbald ahnen, wer der dunkle Rächer sein könnte, denn neben Sander, Oscar Ortega Sánchez (Mustafa) und Idil Üner (Özakins Gattin) wirkt nur ein deutschtürkischer Schauspieler mit, dessen Gesicht halbwegs bekannt ist. Immerhin zaubert Autor Klaschka zum spannenden Finale (Regie: Michael Kreindl) noch eine Überraschung aus dem Hut. Ohnehin gibt es immer wieder sympathische Wendungen, die nur scheinbar nichts mit dem Fall zu tun haben; wenn sich beispielsweise der etwas sonderliche Mustafa in eine schöne Tänzerin (Özlem Sagdic) verliebt oder ausgerechnet der von Özakin eher als lästig empfundene Familiengast aus Deutschland einen entscheidenden Hinweis zur Lösung liefert. Und die Aufnahmen von Istanbul und Bosporus sind ohnehin prachtvoll.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).