Im Schatten des Vorgängers: Papst reist nach Mexiko
Papst Benedikt XVI. steht im katholischen Mexiko deutlich im Schatten seines Vorgängers. Mit einer Massenmesse an historischem Schauplatz soll sich das ändern. Denn Mexiko ist wichtig für den Vatikan. Der Papst reist am Freitag erstmals in das lateinamerikanische Land.
22.03.2012
Von Matthias Knecht

Noch ist sie nicht da, die Euphorie katholischer Massenereignisse. Die meisten Mexikaner sehen dem Besuch des Papstes Ende der Woche gelassen entgegen. Denn Benedikt XVI. konnte die zutiefst katholischen Mexikaner bislang nicht für sich einnehmen. Ihre Verehrung gilt Benedikts Vorgänger, Johannes Paul II., der das Land fünf Mal besuchte. Fast sieben Jahre nach seinem Tod ziert er immer noch Devotionalien und Souvenirs - vom deutschen Papst hingegen keine Spur.

Im Nationalheiligtum, der Basilika der Jungfrau von Guadalupe im Norden von Mexiko-Stadt, thront eine lebensgroße Statue Johannes Pauls. Viele der 20 Millionen Pilger, die jedes Jahr zum größten katholischen Wallfahrtsort kommen, knien hier nieder. Drumherum bieten Händler seine Bilder, Bücher und Reliquien feil. Dass Benedikt auf seiner Reise Mexiko-Stadt und die angebetete Landespatronin Guadalupe überspringt, sorgt für zusätzliche Irritation. Stattdessen besucht der frühere Kardinal Ratzinger den zentralmexikanischen Bundesstaat Guanajuato, um am Montag nach Kuba weiterzureisen. Die Missachtung der Guadalupe befremde ihn sehr, sagt ein Gläubiger vor deren Basilika in Mexiko-Stadt. Umstehende Pilger stimmen zu.

Eurozentrisches Weltbild?

"Benedikt XVI. versucht erst gar nicht, mit seinem Vorgänger in Wettbewerb zu treten", sagt Politikanalyst Rubén Aguilar. Der einstige Jesuitennovize und ehemalige Präsidentensprecher sieht im Besuch des Papstes eine "überfällige Korrektur des eurozentristischen Weltbilds Ratzingers". Denn gut eine halbe Milliarde Katholiken leben in Lateinamerika. Das sind doppelt so viele wie in Europa und die Hälfte aller Katholiken weltweit.

Auf dem amerikanischen Kontinent stellt Brasilien, das Benedikt XVI. bereits im Jahr 2007 besuchte, die größte katholische Gemeinde. An zweiter Stelle folgt Mexiko. Auffällig ist, dass sich hier entgegen dem lateinamerikanischen Trend der Schwund der Katholiken in Grenzen hält. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung sank von 2000 bis 2010 lediglich von 88 auf 84 Prozent. Zum Vergleich: In Brasilien sind nur noch 68 Prozent der Bevölkerung Katholiken, in Nicaragua und El Salvador gar weniger als 60 Prozent. Im Gegenzug breiten sich in der gesamten Region evangelikale und charismatische Kirchen aus.

Grund für die relative Stabilität der katholische Kirche in Mexiko ist paradoxerweise deren latente Verfolgung, so die Analyse Aguilars. Denn in Mexiko wirkt immer noch das Erbe der Revolution von vor rund einem Jahrhundert, als katholischen Priestern sogar das Tragen der Soutane verboten war. Bis heute untersagt Mexikos Verfassung der Kirche Einmischung in die Politik, eigene Medien oder auch Religionsunterricht in den Schulen. Mexikos katholische Kirche ist darum gezwungen, besonders nahe bei den Gläubigen zu sein, was diese wiederum weniger anfällig für konkurrierende Kirchen macht. "Mexikos Verfassung ist nicht laizistisch, sondern radikal antiklerikal", sagt Aguilar.

Präsidentenwahl im Juli

Der Besuch des Papstes ist damit hoch politisch. Denn Mexikos Präsident Felipe Calderón versucht derzeit, den Antiklerikalismus aus Mexikos Verfassung zu streichen. Damit würde beispielsweise erstmals Religionsunterricht in mexikanischen Schulen möglich. Zudem fällt der Papstbesuch mit dem Beginn des Wahlkampfes für die Präsidentenwahl im Juli zusammen. Das gibt vor allem der konservativen Regierungspartei PAN und ihrer Kandidatin Josefina Vázquez Mota Rückenwind. Die PAN ist die einzige Partei, die sich offiziell als katholisch bezeichnet.

So ergibt die Reiseroute Benedikts durchaus Sinn, auch wenn er sich dem mexikanischen Kult um die Jungfrau von Guadalupe entzieht. Denn der Bundesstaat Guanajuato ist nicht nur die katholischste Region Mexikos. Er ist auch Hochburg der Regierungspartei PAN. Zudem verschanzte sich der katholische Klerus während der Revolution auf dem Hügel Cubilete in jener Region. Zeugnis legt davon eine 20 Meter hohe Jesusstatue ab, einer der von katholischen Mexikanern meistbesuchten Orte.

Am Fuße des Cubilete wird Benedikt denn auch eine Messe lesen, zu der bis zu einer Million Gläubige erwartet werden. Spätestens dann werden die Mexikaner ihre Zuneigung für den deutschen Papst entdecken, ist sich der frühere Novize Aguilar sicher. "Dieser Besuch wird ein voller Erfolg werden."

epd