Daniel Themann strahlt noch immer vor Stolz: "Ich habe Joachim Gauck zum Bundespräsidenten gewählt. Er brauchte meine Hilfe." Was den 39-Jährigen aus dem niedersächsischen Langförden bei Vechta von vermutlich allen 1.239 weiteren Mitgliedern der Bundesversammlung unterschieden hat, ist eine kleine Gen-Mutation. Daniel Themann ist geistig behindert. Er hat seit seiner Geburt das Down-Syndrom.
Wie alle Delegierten repräsentierte er einen Teil der Bevölkerung. Bundesweit leben nach Schätzungen des Arbeitskreises Down-Syndrom etwa 50.000 Menschen mit der Mutation "Trisomie 21". Sie ist die häufigste Form einer geistigen Behinderung. An diesem Mittwoch erinnert der Welt-Down-Syndrom-Tag an diese Menschen und fordert für sie die gesellschaftliche Gleichberechtigung, die Inklusion.
Lebensmotto: "Dabei sein ist alles"
Daniel Themann stellt sich dem Leben und hat das Glück, immer wieder auf offene Türen zu treffen. Sein Lebensmotto lautet: "Dabei sein ist alles". Während in der Politik allenthalben über die Inklusion als gleichberechtigtes Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung geredet wird, ist sie für den 39-Jährigen in weiten Teilen bereits Alltag.
[listbox:title=Stichwort: Down-Syndrom (Trisomie 21)[(epd) Das Down-Syndrom (Trisomie 21) ist keine Krankheit, sondern eine Genmutation. Das Erbgut der Betroffenen weist 47 statt 46 Chromosomen auf - das Chromosom 21 ist dreifach statt doppelt vorhanden. Grund ist ein Fehler bei der Zellteilung in der Entwicklung des Embryos. Kinder mit diesem genetischen Defekt sind in ihrer geistigen Entwicklung gestört.##In Deutschland ist eines von rund 700 Neugeborenen betroffen. Insgesamt leben bundesweit 30.000 bis 50.000 Menschen mit dieser genetischen Störung. Die Wahrscheinlichkeit für das Down-Syndrom steigt mit dem Alter der Mutter zum Zeitpunkt der Schwangerschaft.##Seit einigen Jahren führt die Zunahme pränataler diagnostischer Verfahren häufig zu der Entscheidung, die Schwangerschaft abzubrechen. Namensgeber ist der englische Arzt John Langdon Haydon Down, der 1866 als erster die Merkmale dieser genetischen Besonderheit beschrieb.## Die Vereinten Nationen haben den 21. März zum Welt-Down-Syndrom-Tag ausgerufen. Er wird in diesem Jahr erstmals begangen. Damit will die UN die öffentliche Wahrnehmung von Menschen mit Down-Syndrom steigern. Der Aktionstag wurde im Jahr 2006 durch die Organisationen Downsyndrome International (DSI) und European Down Syndrome Association (EDSA) eingeführt. Dazu startet das Deutsche Down-Syndrom Infocenter (Fürth) eine Aufklärungs-Kampagne, die unter dem Motto "unzumutbar?" zur öffentlichen Diskussion über einen Bluttest zur Feststellung von "Trisomie 21" anregen will.]]
"Das ist leider nicht der Normalfall", sagt Elzbieta Szczebak vom Deutschen Down-Syndrom InfoCenter im fränkischen Lauf. In Deutschland gelte zwar das Antidiskriminierungs-Gesetz, doch sei es in der Gesellschaft noch längst nicht verankert. So stießen Eltern behinderter Kinder immer noch auf Vorbehalte und Unverständnis.
Dass ein Leben mit Trisomie 21 gelingen kann, beweist Daniel Themann jeden Tag aufs Neue: In der örtlichen Tischlerei arbeitet er als ganz normaler Angestellter. Zu seinem Job fährt er mit dem Motorroller. Seit gut zehn Jahren ist er zudem politisch als Mitglied der SPD in der Kommunalpolitik aktiv.
Autogramm von Gauck im Parteibuch
Auch in seiner Freizeit will der leidenschaftliche Schwimmer immer wieder seine Grenzen überwinden. Bei der DLRG hat er seine Prüfungen als Rettungsschwimmer in Bronze und Silber abgelegt. "50 Meter am Stück tauchen ist kein Problem", sagt er und lacht mit Stolz in der Stimme. 50 Meter, das sind im Hallenbad immerhin zwei Bahnen.
Für die Eltern war die Nominierung in die Bundesversammlung eine besondere Freude: "Das ist fast eine Art Krönung für unser Engagement", sagt Mutter Ursula Themann. Von Anfang an hätten sich beide dafür starkgemacht, dass geistig behinderte Menschen gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können - noch lange bevor dafür das Wort Inklusion erfunden wurde.
Daniel Themann genießt das Leben und gibt sich welterfahren: 2005 traf er während einer Berlin-Fahrt auf Horst Köhler und schüttelte ihm die Hand: "Ein guter Mann. Sehr nett." Vom neuen Bundespräsidenten Gauck ergatterte er am Sonntag sogar ein Autogramm für sein Parteibuch. Dort haben sich unter anderen schon Themanns Parteigenossen Frank-Walter Steinmeier, Franz Müntefering und Ulla Schmidt verewigt.