An diesem frühen Abend kommt im Penny-Markt in Usingen im hessischen Hochtaunuskreis nicht viel Geld für den guten Zweck zusammen. Nur ein Kunde aus den beiden kurzen Warteschlangen lässt aufrunden: Zwei Cent sind es. Die Kassiererin tippt auf die blaue Aufrunde-Taste. Dann zeigt sie mit dem Finger auf dem Kassenbon, dass die Mini-Spende korrekt gebucht ist.
Die langfristige Aktion steht unter dem Motto "Kleine Cents. Große Wirkung." Kunden von 15 Handelsketten können ihre Zahlbeträge aufrunden lassen und so maximal zehn Cent spenden. Beteiligt sind etwa bonprix, WMF, Douglas, Görtz, KiK, Netto, Penny und die toom-Baumärkte.
Wer noch nichts von der am 1. März gestarteten Initiative gehört hat, erhält im Usinger Geschäft keinen Impuls zum Spenden. Plakate oder Info-Flyer der Kampagne sucht man im dichten Schilderwald der Sonderangebote vergebens. Nur auf dem Deckel der Kasse findet sich ein handtellergroßer Aufkleber: Eine blaue Sprechblase mit den Worten "Aufrunden, bitte!". Das ist nicht überall so - wer aufmerksam schaut, findet in anderen Penny-Märkten diese blaue Sprechblase zum Beispiel auch an den Türen. Aber so richtig groß beworben ist die Aktion noch nicht.
Bild links: So sieht es auf dem Kassenbon aus, wenn man gespendet hat. Foto: Anika Kempf/evangelisch.de
"Jede Spende soll freiwillig und auf Eigeninitiative erfolgen", erläutert Michael Rotermund, Pressesprecher der Parfümerie-Kette Douglas, die bewusste Zurückhaltung des Personals. Dennoch gebe es viel positives Feedback von Kunden und Angestellten. In den ersten zwei Wochen hätten rund 5.000 Kunden in den Parfümerien aufgerundet. Rotermund betont, man müsse der Idee noch Zeit geben: "Ein langer Weg beginnt ja bekanntlich mit einem ersten Schritt."
Das sieht auch Christian Vater so. Er hat die Aktion nach dreijähriger Vorbereitung ins Leben gerufen und dazu die gemeinnützige Stiftung "Deutschland rundet auf" in Berlin gegründet. Dort sorgt Geschäftsführer mit fünf Mitarbeitern dafür, dass "sich Deutschland ein kleines bisschen verändert". Eben dadurch, dass möglichst viele Kleinst-Spenden an möglichst viele soziale Initiativen fließen.
Vater betont ausdrücklich, dass jeder Aufrunde-Betrag "zu hundert Prozent" der guten Sache zufließt. Verwaltungsgebühren und andere Kosten würden nicht abgezogen. Denn der laufende Betrieb finanziert sich aus einem anderen Topf: Jeder Handelspartner zahlt eine vom Umsatz abhängige Gebühr an die Stiftung.
[listbox:title=Mehr im Netz[Website der Aktion "Deutschland rundet auf"##Webseite des geförderten Projekts Eltern-AG##Website von Phineo]]
Das Aufrunden sei "eine völlig neue Erfindung, das kennt der Konsument noch nicht", sagt Vater. Der Bankkaufmann und einstige Manager aus der Musikindustrie will geduldig sein. Zeitdruck gebe es ja keinen: "Wir müssen ja nicht in vier Wochen die Spendenbüchse vollhaben."
Wieviel Geld schon eingegangen ist, kann Vater noch nicht sagen, verspricht aber für die Zukunft "einen hohen Transparenz-Level": Ab Mitte April werde auf der Homepage der Stiftung ein Spenden-Ticker gestartet: "Dann können alle Bürger sehen, wieviel Geld für das aktuelle Spenden-Projekt schon geflossen ist."
"Tut nicht weh, und man fühlt sich echt gut"
Erster Nutznießer ist die "Eltern-AG", ein Präventionsprogramm, bei dem Eltern in Kursen von Mentorinnen für den Erziehungsalltag fitgemacht werden. Zielgruppe sind Familien in besonders belastenden Lebenslagen. Seit 2004 wurden in neun Bundesländern über 1.000 Eltern mit rund 2.500 Kindern erreicht. Jetzt sollen weitere 75 Eltern-AGs angeboten werden: 245.000 Euro werden dafür benötigt.
Dass das Geld gut angelegt ist, dafür verbürgt sich Phineo, eine Berliner gemeinnützige Aktiengesellschaft, mit der "Deutschland rundet auf" kooperiert. Als Analyse- und Beratungshaus prüft Phineo soziale Projekte, ob sie förderwürdig sind. "Bei der Suche nach geeigneten Projekten bedient sich "Deutschland rundet auf" auch aus dem Pool von Projekten, die wir bereits als besonders wirkungsvoll ausgezeichnet haben", erläutert Vorstandsvorsitzender Andreas Rickert gegenüber dem epd. Alle Projekte durchlaufen eine vierstufige Qualitätsprüfung, bevor sie von "Deutschland rundet auf" endgültig für die Förderung ausgewählt werden.
Lob, Kritik und Verbesserungsideen zur Aufrunde-Aktion kursieren längst im Internet. So berichtet etwa Nadine Klein bei Facebook über ihre erste Spende bei "Kaufland": "Tut nicht weh, und man fühlt sich echt gut." Auch Kerstin Roth ist angetan: "Ich finde diese Aktion einfach spitzenmäßig!" Sie ist jedoch nicht die einzige, die kritisiert, dass in den Läden zu wenig Werbung gemacht werde: "Viele in meinem Bekanntenkreis wissen leider davon überhaupt nix, schade!"