Gaucks Lieblingstag - " ... um des Menschen willen gemacht"
Der erste Satz des neu gewählten Bundespräsidenten ist in Rekordzeit zum geflügelten Wort geworden: "Was für ein schöner Sonntag!" Joachim Gauck würdigte den Sonntag als Wahltag - und sang damit ein Loblied auf die Demokratie. Als Pfarrer kennt Gauck natürlich auch die Bedeutung des Sonntags im Christentum. Eine kleine kulturgeschichtliche Zitatensammlung zum "Sonntag".
19.03.2012
Gesammelt von Anne Kampf

"Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte." (1. Mose 2,3)

Juden halten ihren wöchentlichen Ruhetag am Sabbat - also am Samstag. Das Gebot, den Sabbat zu halten, kommt in der Bibel an zwei Stellen vor: "Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt." Das Gebot wird jeweils unterschiedlich begründet - im 2. Buch Mose mit der Schöpfung (2. Mose 20,8-11), im 5. Buch Mose mit der Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten (5. Mose 5,12-15).

Jesus schaffte das alttestamentliche Sabbatgebot nicht ab, sondern legte es neu aus: "Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen." (Mk 2, 27). Erlaubt war es aus Jesu Sicht zum Beispiel, am Sabbat Körner zu pflücken und zu essen (Mk 2,23f) sowie Kranke zu heilen (Mt 12,10f).

Im Christentum setzte sich bald der Sonntag als wöchentlicher Festtag durch. Er gilt als Tag der Auferstehung des Herrn, und die ersten Christen begingen ihn mit der Feier des Abendmahls. Aus der Mahlfeier entwickelte sich der sonntägliche Gottesdienst, den Kaiser Konstantin im Jahr 321 mit der gesetzlichen Einführung der Arbeitsruhe am Sonntag verband.

Martin Luther sprach in seinem Kleinen Katechismus vom Feiertag anstatt vom Sonntag: "Du sollst den Feiertag heiligen. - Was ist das? - Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir die Predigt und sein Wort nicht verachten, sondern es heilig halten, gerne hören und lernen."

Eine jüdisch-christliche und soziale Errungenschaft

Die Arbeitsruhe am Sonntag fiel der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert zum Opfer - erst in der Weimarer Republik bekamen die Menschen sonntags wieder frei. Dass es heute - zumindest für die meisten - ein freies Wochenende gibt, lässt sich also nicht nur aus der jüdischen und christlichen Tradition ableiten, sondern ist auch ein Ergebnis der sozialen Entwicklung Anfang des 20. Jahrhunderts.

Im deutschen Grundgesetz wurde Artikel 139 der Weimarer Reichsverfassung übernommen und in Artikel 140 integriert. Dort heißt es: "Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt." 

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Immer wieder droht der Sonntagsschutz durch lokale Gesetze und Verordnungen ausgehöhlt zu werden, örtliche Einzelhandels-Organisationen drängen auf Ausnahmen. Insbesondere CDU-Politiker befinden sich bei den Entscheidungen über verkaufsoffene Sonntage oftmals in einem Zwiespalt zwischen Wirtschaftsförderung und christlichem Sonntagsschutz. Erwin Teufel, dem CDU-Politiker aus Baden-Württemberg, wird dieses Zitat zugeschrieben: "Der Sonntag hat unmittelbar etwas mit der Würde des Menschen zu tun. Er erinnert daran, dass der Mensch kein Mittel zum Zweck und dass Arbeit nicht der einzige Inhalt und das höchste Ziel des Lebens ist."  In diesem Sinne engagieren sich auch Allianzen für den freien Sonntag auf lokaler Ebene, darin arbeiten Kirchen und Gewerkschaften zusammen.

Die beiden großen Kirchen in Deutschland setzen sich für den Erhalt der Sonntagsruhe ein und versuchen, ihn gegen die Kommerzialisierung zu verteidigen. 1999 startete die Evangelische Kirche in Deutschland eine groß angelegte Kampagne unter dem Titel "Ohne Sonntag gibt's nur noch Werktage". Argumente für den Schutz des Sonntags gibt es bei der EKD aktuell unter dem Slogan "Gott sei Dank, es ist Sonntag" . Im Jahr 2009 schafften es die Kirchen sogar, vor dem Bundesverfassungsgericht die Adventssonntagsregelung des Berliner Ladenöffnungsgesetzes zu kippen.

Ein finsterer Morgen im KZ - "Schöner Sonntag?"

Als Joachim Gauck am Sonntag seine Rede mit "Was für ein schöner Sonntag" begann, zitierte er übrigens einen Romantitel - ob ihm das bewusst war? Es handelt sich um ein autobiographisches Buch des spanischen Kommunisten Jorge Semprún (1923-2011). Semprún beschreibt darin seinen Alltag als Häftling im KZ Buchenwald. Der Titel "Was für ein schöner Sonntag" geht auf die Äußerung eines Mithäftlings zurück - früh an einem finsteren Wintermorgen:

"Er hat das mit übertriebenem Gelächter gesagt, als sagte er ‚Merde!‘ Aber er hat nicht merde gesagt. Er hat gesagt ‚Was für ein schöner Sonntag, Kumpel!‘, auf Französisch, beim Anblick des schwarzen Himmels um fünf Uhr morgens." (zitiert nach Wikipedia).

Das war natürlich purer Sarkasmus - vor fast 70 Jahren im KZ. Joachim Gauck dagegen hat es ernst gemeint, am Sonntagmittag in Berlin, wo es gar nicht finster und kalt war, sondern sonnig und warm. Gauck erinnerte an seine allererste Wahl als freier Mensch: "Was für ein schöner Sonntag. Es war der 18. März heute vor genau 22 Jahren, und wir hatten gewählt. Wir, das waren Millionen Ostdeutsche, die nach 56-jähriger Herrschaft von Diktatoren endlich Bürger sein durften. (…) Nie werde ich diese Wahl vergessen, niemals." Dann dankte Gauck der Bundesversammlung, die ihn zum Bundespräsidenten gewählt hatte: "Was für ein schöner Sonntag, dieser 18. März, auch für mich."