Bundespräsident Joachim Gauck nimmt am heutigen Montag in Berlin seine Amtsgeschäfte auf. Der frühere DDR-Bürgerrechtler war gestern in der Bundesversammlung mit breiter Mehrheit gewählt worden. Gauck wird erstmals in seinen Amtssitz Schloss Bellevue kommen. Vorgesehen ist ein Gespräch mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, der als Präsident des Bundesrates kommissarisches Staatsoberhaupt war. Auch ein Treffen mit dem vor vier Wochen zurückgetretenen Präsidenten Christian Wulff ist geplant.
Gauck hat sich zufrieden über sein Wahlergebnis in der Bundesversammlung geäußert. In der ARD-Sendung "Farbe bekennen" sagte er am Sonntagabend: "Ich bin sehr glücklich. Alles andere wäre auch in der Nähe von DDR-Wahlergebnissen gewesen." Mehr als 100 Delegierte aus dem Lager der Unterstützer Gaucks hatten sich der Stimme enthalten.
Auf die Frage, ob er Angst vor den hohen Erwartungen habe, sagte Gauck: "Angst ist nicht so mein Lebensthema gewesen." Er sei sicher, dass sich das einpendeln werde.
"An dem Integrationsthema kann ich nicht vorbei gehen"
Mit der Annahme der Wahl ist Gauck als Staatsoberhaupt offiziell im Amt. Die Vereidigung des elften Präsidenten vor Bundestag und Bundesrat ist für kommenden Freitag vorgesehen.
Gauck kündigte an, dass er auch an wichtige Themen seines Vorgängers Wulff anknüpfen werde. Dieser habe ihm zum Beispiel das Integrationsthema hinterlassen, "an dem ich nicht vorbeigehen kann", sagte er dem Sender Phoenix.
Er wolle hier mit seinen eigenen Ideen und Worten die von Wulff eingeschlagene Richtung fortsetzen, sagte Gauck im ZDF. Er kündigte an, diejenigen zu kritisieren, die nicht integrationswillig seien. "Ich möchte, dass die Menschen, die hier mit uns wohnen, die Grundlagen dieses Staates, den sie ja offensichtlich schätzen, sonst wären sie nicht hierher gekommen, achten, dass sie die Gesetze dieses Landes achten." Dies sei den allermeisten Zuwanderern aber auch "völlig klar".
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte der Online-Ausgabe der "Leipziger Volkszeitung" (Montag), Gaucks Amtszeit sei zunächst "eine Chance, dieses fürchterlich ramponierte Amt des Bundespräsidenten wieder zu der Reputation zu führen, die es früher immer hatte". Die Annahme, dass sich Gauck nur auf die Freiheit als Thema konzentriere, sei eine Fehlwahrnehmung. Die Linke-Vorsitzende Gesine Lötzsch appellierte in der ARD-Sendung "Günther Jauch" an das neue Staatsoberhaupt, sich die Frage der sozialen Gerechtigkeit und sozialen Spaltung auf die Fahnen zu schreiben.
"Soziale Gerechtigkeit gehört dazu"
Ungeachtet seiner Betonung des Freiheitsbegriffs sei er auch ein Befürworter des Sozialstaats. "Soziale Gerechtigkeit gehört dazu", sagte Gauck. Es dürfe nicht sein wie in den USA, wo es keinen Sozialstaat gebe. Der "rheinische Kapitalismus", also das westdeutsche Sozialstaatsmodell der Nachkriegszeit, werde von ihm keineswegs abgelehnt. "Ich möchte nicht, dass der Sozialstaat beschädigt wird."
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Der neue Bundespräsident relativierte auch seine umstrittenen Äußerungen über die bankenkritische Occupy-Bewegung. Er habe nicht die Proteste insgesamt als "albern" bezeichnet, wohl aber das Projekt, die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt/Main zu besetzen. "Ich kann die Haltung verstehen, aber ich hätte gerne ein paar Inhalte."
"Unsere Politiker sind nicht immer nur begnadet"
In seinem Verhältnis zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht Gauck kein Problem. "Ich habe Grund anzunehmen, dass sie mich schätzt." Er habe keinen Anlass zum Misstrauen. Warum Merkel seine Präsidentschaft zweimal zu verhindern versuchte, kann sich Gauck nicht erklären. "Ich weiß nicht, was wirklich in ihr vorgegangen ist." Ähnlich äußerte er sich im ZDF: Wichtig sei für ihn, dass "wir uns in die Augen schauen" und Vertrauen haben konnten.
Gauck hält das Amt des Bundespräsidenten durch den Rücktritt seines Vorgängers Christian Wulff wegen einer Kette von Vorwürfen nicht für beschädigt. "Unsere Politiker sind nicht immer nur begnadet. Das muss die Bevölkerung akzeptieren." Die Forderung, den umstrittenen Ehrensold für ehemalige Bundespräsidenten zu reformieren, werde er prüfen, sagte Gauck.
Zu anderen inhaltlichen Fragen seiner Präsidentschaft wollte Gauck noch nicht Stellung nehmen, etwa zu einer möglichen Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Dennoch ließ er für die Forderung Sympathie erkennen: Manchmal sei Geld unerlässlich, manchmal würden dadurch aber auch Innovationen blockiert. Insgesamt sei es notwendig, "mehr Fantasie" zu entwickeln.
Zu der Frage, ob er seiner Gegenkandidatin Beate Klarsfeld das bisher verweigerte Bundesverdienstkreuz verliehen werde, sagte Gauck, er wolle zunächst prüfen, warum das noch nicht geschehen sei. "Ich bin da nicht ideologisch festgelegt."