Der politische Papst: Kopten-Patriarch Shenouda III. tot
Shenouda III. von Ägypten, der 117. Patriarch der Koptischen Kirche, ist tot. Der 88-Jährige leitete die Kirche mehr als 40 Jahre lang und verstand sich nicht nur als geistiges Oberhaupt der koptischen Christen, sondern machte auch Politik.
18.03.2012
Von Julia Gerlach

Schon seit Tagen hatten koptische Christen für ihren schwerkranken Papst gebetet. Als am Samstag die Nachricht vom Tod des 88-jährigen Shenouda III. die Runde machte, strömten Tausende zur Kathedrale in Kairo. Shenouda, der seit mehr als 40 Jahren die koptische Kirche in Ägypten führte, war wegen seiner Warmherzigkeit und seines Humors sehr beliebt.

Geboren wurde Shenouda 1923 als Nazir Gayed. In den 40er Jahren gründete er eine christliche Zeitschrift und engagierte sich in einer Reformbewegung innerhalb der Kirche. 1954 wurde er Mönch, 1962 Bischof und 1971 Papst. Seitdem stand er der häufig bedrängten Kirche vor. Die Kopten machen rund zehn Prozent der 83 Millionen Ägypter aus. Ihre Kirche ist eine Abspaltung der orthodoxen Kirche.

Shenouda III. war von Beginn an ein politischer Papst. Er kritisierte Präsident Anwar al-Sadat, weil dieser die islamische Bewegung förderte. Auch war er mit dessen israelfreundlichen Politik nicht einverstanden. Shenouda III. wurde daraufhin in ein Wüstenkloster verbannt, und erst 1985 unter Präsident Hosni Mubarak kam er wieder frei.

Neue Klöster gebaut

In Shenoudas Amtszeit wurden viele neue Klöster gebaut, die koptische Kirche wuchs - auch im Ausland. Denn viele ägyptische Christen verließen in den vergangenen Jahrzehnten ihre Heimat, und es entstanden Gemeinden in Europa und den USA.

In ihrer ägyptischen Heimat rückten die Kopten unter Papst Shenouda III. enger zusammen, die Kirche wurde für sie Zufluchtsort und Parallelgesellschaft - vom Kindergarten über Jugendgruppen bis zu Feriengestaltung für Familien. Der Rückzug vieler Christen aus der Gesellschaft war auch eine Reaktion auf die zunehmenden Konflikte zwischen den Religionen.

Shenouda III. indes wurde von seinen Glaubensbrüdern oft für die Vermischung von Religion und Politik kritisiert - nicht zuletzt, weil er in den letzten Jahren seines Lebens einen eher regierungsfreundlichen Kurs steuerte. "In der Zukunft wollen sie einen Papst, der sich um den Glauben kümmert, und politische Parteien, die sich auf die Politik konzentrieren", sagt Yussef Sidhum, Chefredakteur der christlichen Zeitung "Watany - Meine Heimat".

An der Seite von Mubarak – zunächst

Trotz zunehmender Gewalt gegen Christen und obwohl die Kopten etwa beim Kirchenbau von der Regierung diskriminiert wurden, hielt sich Shenouda III. mit Kritik an Präsident Mubarak zurück. Erst als sich die Regierung im Sommer 2010 in die inneren Angelegenheiten der Kirche einmischte und Christen das Scheidungsrecht geben wollte, kam es zum Bruch, und die koptische Kirche ging auf Abstand zur politisch herrschenden Klasse.

Als jedoch im Januar 2011 die Revolution gegen Mubarak begonnen hatte, stellte sich Shenouda III. noch einmal ganz hinter seinen Präsidenten und verbot seinen Priestern, auf dem Tahrir-Platz die Messe zu lesen. Nach dem Sturz Mubaraks nahm die Gewalt gegen Christen in Ägypten zu, und junge Christen belagerten aus Protest wochenlang das Fernsehgebäude. Sie blieben auch dort, nachdem ihr Papst sie augefordert hatte, den Platz zu räumen. Erst als im Oktober die Militärpolizei brutal gegen zumeist christliche Demonstranten vorging und mindestens 27 Menschen starben, äußerte Shenouda III. Kritik an der Militärführung.

Zu seiner Totenmesse am Dienstag werden hohe Repräsentanten aller Religionen erwartet. Und auch der Chef der Militärregierung, Mohammed Hussein Tantawi, hat sein Kommen angekündigt.

epd