Bundesversammlung wählt neuen Bundespräsidenten
Die Bundesversammlung wählt heute in Berlin einen neuen Bundespräsidenten. Die Wahl des früheren DDR-Bürgerrechtlers und Pfarrers Joachim Gauck gilt als sicher.

Der 72-jährige parteilose Theologe wird von einer beispiellosen Fünf-Parteien-Koalition aus CDU, CSU, FDP, SPD und Grünen unterstützt. Für die Linke kandidiert die Nazi-Jägerin Beate Klarsfeld. Die 73-Jährige ist aber chancenlos.

Bei der letzten Wahl im Juni 2010 war Gauck noch dem CDU-Politiker Christian Wulff unterlegen. Dieser war im Februar nach nur 20 Monaten im Amt zurückgetreten. Die Bundesversammlung trat um 12 Uhr im Reichstag zusammen. Zuvor gab es Fraktionssitzungen sowie einen ökumenischen Gottesdienst.

Von seinem Leben als normaler Bürger nahm Gauck am Samstag mit "sehr gemischten Gefühlen" Abschied, wie er erklärte: "Ich kann Ihnen die nicht beschreiben", sagte er auf Journalistenfragen am Rande von kurzen Besuchen bei Fraktionen der Bundesversammlung.

"An ihm werden sich viele reiben"

Die Bundesversammlung besteht aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Delegierten, die von den Landesparlamenten gewählt werden. Von den insgesamt 1240 Delegierten werden voraussichtlich 1238 anwesend sein. Dazu gehören auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.

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Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte, er sei zuversichtlich, dass Gauck eine breite Mehrheit bekomme. "Das ist eine große Ermunterung, diese nicht leichte Aufgabe zu übernehmen".

SPD-Fraktionschef Fran-Walter Steinmeier sagte, er freue sich über die große Zustimmung für den von Rot-Grün vorgeschlagenen Kandidaten. Gauck werde ein Bundespräsident sein, "an dem sich viele reiben werden", manchmal auch die SPD. "Aber gerade deshalb ist es der richtige Präsident."

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle erklärte, Gauck werde "unserem Land guttun". Er sei integer, überzeugend und glaubwürdig. Die Liberalen hatten Gauck gegen Widerstand der Union in der Koalition durchgesetzt.

Vier von fünf Befragten finden Gauck glaubwürdig

Gauck geht mit großem Vertrauensvorschuss der Bürger und Parteien in die Wahl. Das voraussichtliche neue Staatsoberhaupt halten 80 Prozent der Deutschen für glaubwürdig, wie eine Umfrage für die ARD-Sendung "Günther Jauch" ergab. Gut ein Drittel (37 Prozent) weiß aber noch nicht, wofür der 72-Jährige steht. Neben dem großen Thema der Freiheit wird von Gauck erwartet, zu anderen Fragen wie dem Euro oder dem Rechtsextremismus Position zu beziehen.

Gegenkandidatin Beate Klarsfeld rief am Vorabend der Bundesversammlung zum Kampf gegen den Rechtsextremismus auf. "Ich betrachte meine Kandidatur als große Ehre und verbinde damit das politische Signal, im Kampf gegen alte und neue Nazis nicht nachzulassen", sagte Klarsfeld am Samstagabend in Berlin nach einem Treffen der Linke-Fraktion der Bundesversammlung.

Voraussichtlich an diesem Montag soll Gauck in sein Amt eingeführt werden. Die Vereidigung des 11. Präsidenten vor Bundestag und Bundesrat ist für kommenden Freitag vorgesehen. Offiziell im Amt ist der Präsident aber bereits, sobald er die Wahl durch die Bundesversammlung annimmt. Ein politische Rede will Gauck im ersten Tag noch nicht halten: "Morgen gibt's nur Dankesworte, da gibt es noch keine politische Rede. Die gibt's vielleicht am 23., da müssen Sie sich noch ein paar Tage gedulden", sagte Gauck am Samstag zu Journalisten.

dpa