Peter Hintze: "Politik und Kirche haben sich viel zu sagen"
Der Evangelische Arbeitskreis der CDU/CSU feiert am Samstag den 60. Jahrestag seiner Gründung. Als Dialogform zwischen Unionspolitikern und evangelischer Kirche ist er heute noch wichtig, sagt der CDU-Politiker und Theologe Peter Hintze in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
17.03.2012
Die Fragen stellte Corinna Buschow

Herr Hintze, die evangelischen Mitglieder in der Union sind längst keine Minderheit mehr, die Bundeskanzlerin ist Protestantin. Warum brauchen die Schwesterparteien noch einen Evangelischen Arbeitskreis?

Peter Hintze: Der Evangelische Arbeitskreis hat zwei wichtige Funktionen. Zum einen ist der EAK ein evangelisches Forum für die Grundsatzarbeit in der Union. Diese Arbeit geschieht in ökumenischer Offenheit und wird auch von vielen katholischen Unionsmitgliedern gerne angenommen. Ich erinnere mich noch sehr gut an eine intellektuell spannende Veranstaltung mit Hans Küng, bei der es um den Beitrag der Religionen zum Weltfrieden ging.

Sehr wichtig waren auch die Beiträge des Evangelischen Arbeitskreises im Prozess der inneren Einheit in Deutschland, wobei das so etwas wie die Suche nach einer gemeinsamen Sprache auf unterschiedlichem Erfahrungshintergrund war. Und zweitens ist der EAK das Dialogforum zwischen Union und evangelischer Kirche. Gerade unter Thomas Rachel ist die Begegnung zwischen Union und Kirche auf den evangelischen Kirchentagen zu einer festen Institution geworden. Gesprächsbänder, die hier geknüpft werden, sind sehr stark. 

[listbox:title=60 Jahre EAK[Der Evangelische Arbeitskreis der CDU (EAK) wurde am 14. März 1952 in Siegen gegründet. Der damalige Bundestagspräsident, Oberkirchenrat Hermann Ehlers, wollte Protestanten dazu bringen, sich aus ihrer Perspektive mehr in der Politik zu engagieren und die evangelische Stimme in der CDU stärken. Ein Jahr nach der Gründungsveranstaltung schlossen sich die Protestanten aus der CSU dem Arbeitskreis an.##Der Evangelische Arbeitskreis versteht sich zum Einen als Forum für Diskussionen innerhalb der Partei. Zum anderen will er zum Dialog zwischen Politik und Kirchen beitragen. Ihm gehören nach eigenen Angaben 203.000 Mitglieder, darunter auch Menschen ohne Unionsmitgliedschaft, an. In der CDU gehören Parteiangaben zufolge mehr als 150.000 und damit 31 Prozent der Mitglieder der evangelischen Kirche an. 16 Prozent der rund 151.000 CSU-Mitglieder sind Protestanten.##Bundesvorsitzender des EAK ist seit 2003 der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Thomas Rachel. Zu den ehemaligen Vorsitzenden zählen Altbundespräsident Roman Herzog (1978-84) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (1992-93). Die längste Amtszeit als Vorsitzender hatte bisher der frühere Außenminister Gerhard Schröder (1955-1978).##epd]]

Was bedeutet evangelische Verantwortung heute in der Politik und speziell in der Union?

Hintze: Evangelische Verantwortung in der Politik bedeutet, alle wichtigen Fragen der Politik vom "C" her zu stellen und vom christlichen Verständnis, vom Menschen her zu beantworten. Es gehört zur evangelischen Freiheit, dass diese Antworten unterschiedlich ausfallen können, wie wir in den bioethischen Debatten der letzten Jahre erlebt haben. Ob es um Stammzellforschung geht, um die Präimplantationsdiagnostik (PID) oder um die Organspende. Aus evangelischer Verantwortung heraus gibt es unterschiedliche Antworten, die jede für sich ihr eigenes Recht haben.

Am Tag nach der Feier in Siegen wird in Berlin voraussichtlich ein evangelischer Pastor zum Bundespräsidenten gewählt. Ist Staat ohne Kirche nicht zu machen? Bedeutet der Kandidat Joachim Gauck eine Stärkung der Kirchen?

Hintze: In unserem Zeitalter der Globalisierung ist die Sehnsucht nach einem ethischen Diskurs in der Politik besonders hoch. Ob das positive Rückwirkungen auf unsere Kirchen hat, muss sich noch zeigen. Ich würde es mir sehr wünschen. Der Umgang mit Gottes guter Schöpfung, die Freiheit eines Christenmenschen, die Solidarität mit den Armen und Schwachen und die Bewahrung des inneren und äußeren Friedens sind ja große Themen, bei denen Politik und Kirche sich gegenseitig viel zu sagen haben. Joachim Gauck wird sich sicherlich in diesen Dialog einbringen.

epd