Canterburys Erzbischof kündigt Rücktritt an
Der angekündigte Rückzug von Rowan Williams aus seinem Amt wird in Großbritannien mit großem Bedauern aufgenommen. Der Gelehrte gilt als Vermittler in der vor der Zerreißprobe stehenden 77 Millionen Christen zählenden anglikanischen Weltkirche.

Der Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, hat am Freitag seinen Rücktritt zum Jahresende angekündigt. Der 61-Jährige war 2002 zum 104. Erzbischof von Canterbury ernannt worden. Er ist geistliches Oberhaupt der rund 77 Millionen Christen umfassenden weltweiten anglikanischen Gemeinschaft. Die Entscheidung wurde in Großbritannien mit Bedauern aufgenommen. Ab Januar 2013 übernimmt der international renommierte Theologe die Leitung des Magdalene College in Cambridge.

Vertreter aus Kirche und Politik reagierten mit Überraschung und Bedauern auf die Ankündigung. In einer ersten Reaktion sagte der britische Premierminister David Cameron, Williams habe die Kirche durch eine Zeit der großen Herausforderungen und Veränderungen geführt. Er sei ein "Mann der Gelehrtheit und Bescheidenheit." Der Erzbischof von York, John Sentamu, äußerte seine Trauer über die Nachricht. Die Zusammenarbeit mit Williams sei die Kreativste seiner Amtszeit gewesen.

Keine leichte Entscheidung

Sein Abschied erfolgt nach heftigen Debatten über den Umgang mit Homosexualität und die Ordinierung weiblicher Bischöfe, die die anglikanische Kirche an den Rand der Spaltung führte. Williams Rücktritt ist das Ende einer mehr als 20 Jahre andauernden Zeit als Bischof und Erzbischof. Er war zuvor Bischof von Monmouth und wurde 1999 Erzbischof von Wales. Über seinen Nachfolger gibt es bislang nur Spekulationen.

Williams erklärte in einer Stellungnahme: "Es war für mich eine besondere Ehre in der vergangenen Dekade als Erzbischof von Canterbury zu dienen." Die Entscheidung aufzuhören, sei ihm nicht leicht gefallen. Williams sagte, bis zum Ende seiner Amtszeit sei noch viel zu tun, und bat die Gläubigen um Unterstützung. Bis zum Rücktritt werde er alle Aufgaben als Erzbischof übernehmen, teilte die Kirche von England mit.

BBC-Religionskorrespondent Robert Pigott sagte, es gebe eine weite Trauer innerhalb der Kirche von England über den Rücktritt Williams. Man sei überrascht, da Erzbischöfe nicht selten bis zu ihrem 70. Lebensjahr und darüber hinaus im Amt bleiben.

"Er genießt einen großen Respekt in allen Teilen der Kirche durch die Art wie er die Kirche geleitet hat", fügte Pigott hinzu. Dabei sei es nicht unwahrscheinlich, dass die Krönung seiner Amtszeit allerdings noch bevorsteht. Im Sommer könnte sich die anglikanische Kirche nach jahrzehntelangem Ringen endlich dazu entscheiden, auch Frauen als Bischöfe zu ordinieren - ein Schritt, den Williams unterstützt hat.

Die Nachfolge ist noch völlig offen

Während seiner Amtszeit äußerte sich Williams kritisch zum Irakkrieg und zur Politik Israels. Einen Sturm der Entrüstung löste er aus, als er in einem BBC-Interview sagte, es sei unvermeidbar, auch in Großbritannien Teile des islamischen Scharia-Gesetzes zu übernehmen, um die Integration der muslimischen Bevölkerung zu unterstützen.

Wer Williams in seinem Amt als Erzbischof von Canterbury beerbt, ist noch völlig offen. Meist genannt ist der Erzbischof von York. Aber auch dem Bischof von London werden Chancen nachgesagt. Dieser ist der Ordinierung von weiblichen Bischöfen allerdings sehr kritisch eingestellt. Außerdem werden der Bischof von Norwich sowie zahlreiche weitere Kandidaten als Nachfolger gehandelt.

epd