TV-Tipp des Tages: "Polizeiruf 110: Raubvögel" (ARD)
Nach dem Mord an einem Piloten gibt es wie üblich gleich mehrere Verdächtige, aber die emotionale Gemengelage ist derart komplex, dass sich niemand so richtig aufdrängt.
16.03.2012
Von Tilmann P. Gangloff

"Polizeiruf 110: Raubvögel", 18. März, 20.15 Uhr im Ersten

Für die Fans von Herbert und Herbert war die Nachricht sicher bedauerlich, und viele werden nicht verstehen, warum der MDR seine beiden altgedienten Kommissare Herbert Schmücke und Herbert Schneider in den Ruhestand schickt. Schmücke-Darsteller Jaecki Schwarz verwies prompt auf den Jugendwahn der ARD, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Als habe es einer prompten Beweisführung bedurft, verdeutlicht die Episode "Raubvögel", warum der "Polizeiruf" aus Halle dringender Renovierung bedarf.

Dabei stand es zuletzt richtig gut um die mitteldeutschen Krimis. Im Grunde war das würdevolle Altherrenduo schon vor Jahren reif fürs Altenteil, aber dann wurde ihm vor zwei Jahren eine echte Frischzellenkur verpasst: Dank der Erweiterung des Ensembles durch die nicht mal halb so alte Isabell Gerschke konnten andere Geschichten erzählt werden. Einmal hatte die junge Kommissarin eine ebenso leidenschaftliche wie verhängnisvolle Affäre mit einem feschen Staatsanwalt, der sich später als Täter entpuppte. Schmückes Leidenschaft galt schon immer vor allem einem guten Rotwein, und Schneider (Wolfgang Winkler) bringt allenfalls mal die Arroganz des Kollegen aus der Ruhe. Dass "Raubvögel" nach durchaus fesselndem Einstieg relativ ereignislos vor sich hin plätschert (Regie: Esther Wenger), liegt auch daran, dass das Drehbuch (Andreas Pflüger) für Gerschkes Kommissarin Nora Lindner bloß Laufmädchenaufgaben hat.

Schmücke ermittelt "undercover"

Immerhin ist die Geschichte angenehm undurchsichtig. Natürlich gibt es nach dem Mord an einem Piloten wie üblich gleich mehrere Verdächtige, aber die emotionale Gemengelage ist derart komplex, dass sich niemand so richtig aufdrängt. In Frage kämen sie trotzdem alle, etwa ein Spediteur (Eckhard Preuß), für den der Flieger auch schon mal geschmuggelt hat, oder ein fast schon militanter Umweltschützer (Kai Scheve), der das Opfer ständig schikaniert hat. Interessanteste Figuren aber sind die beiden Frauen (Henny Reents, Esther Zimmering), die um die Gunst des Mannes gebuhlt haben, so dass aus ihrer einstigen Freundschaft innige Feindschaft geworden ist.

Kurzerhand nistet sich der rekonvaleszente Schmücke "undercover" als Feriengast im Hotel der Freundin des Toten ein, und da sie nebenbei Falknerin ist, kann man Henny Reents beim überzeugenden Umgang mit dem Federvieh bewundern. Reizvoll sind auch die Schauplätze, darunter nicht nur das malerische Quedlinburg, sondern auch ein weitläufiges Naturschutzgebiet. Das ist alles ganz nett, aber nie wirklich spannend, selbst wenn sämtliche Hinweise am Ende ziemlich überzeugend auf den Falschen deuten. Im Sommer wird der fünfzigste und letzte "Polizeiruf" aus Halle produziert. Die Abschiedsvorstellung der beiden Herberts ist hoffentlich von anderem Kaliber.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).