Die Fastenzeit gilt auch für die beiden Prälaten Bernhard Felmberg (46) und Karl Jüsten (50). Der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Berlin und Brüssel bestellt sich nur einen Cafe Latte und der Leiter des Kommissariats der Deutschen Bischöfe ein Tonic Water. Der Einladung zum Gespräch sind sie gern gefolgt, auch gemeinsam. "Zwischen uns passt kein Blatt Papier" versichert Prälat Felmberg. Sein Kollege Jüsten, der die chronische Parkplatznot im Berliner Regierungsviertel mit seinem Motorroller bezwingt, nickt. Die beiden promovierten Theologen verstehen sich nicht nur theologisch, sondern auch persönlich sehr gut und sind selbstverständlich per Du. Jüsten: "Wir telefonieren täglich miteinander. Mindestens einmal."
Gemeinsamkeit brauchen die beiden Prälaten in ihrer täglichen Arbeit auch. Die Politik erwartet heute von den Kirchen, dass sie gemeinsame Positionen vertreten. Tun sie das nicht, wird es schwer für die Kirchen, und die Politiker lassen unverhohlen erkennen: "Einigt euch erst einmal untereinander." Doch das kommt nur noch selten vor. "Denn wir sind uns ja immer zu 98 Prozent einig," wirft Karl Jüsten dazwischen. Die beiden Prälaten sind viel beschäftigt. Denn oft wünschen die Abgeordneten zu diesem oder jenem Thema die Meinung der Kirchen. Und sie empfinden es dann als "Wohltat", wenn sie erfahren, dass die Kirchen an einem Strang ziehen. (Bild links: der evangelische Prälat Bernhard Felmberg. Foto: epd-Bild/Rolf Zöllner)
Die Kirchen werden als "ruhender Pol" geschätzt
Nicht selten kommt es vor, dass der katholische Prälat Jüsten gefragt wird, wie denn die Position der Evangelischen Kirche sei - und umgekehrt. Selbstverständlich erläutert er sie dann ausführlich. Schließlich weiß man ja, was "die andere Seite" denkt und fordert. Und so werden die beiden Kirchenvertreter, die sich nicht gegen das Wort Lobby im wohlverstandenen Sinn verwahren, oft als "ruhender Pol" geschätzt. Denn die Kirchen gelten nicht als Institutionen, die eigene Machtpositionen durchdrücken wollen. Vielmehr nimmt ihnen die Politik ab, dass sie sich als Stimme für die Menschen verstehen und das Allgemeinwohl im Blick haben.
Oft sprechen sich die beiden Prälaten untereinander ab, wer was wo vertritt. Dann ist einzig und allein die Frage entscheidend, wer zu einem bestimmten Thema besser "vernetzt" ist. Und die Vernetzung ist im Berliner Politikbetrieb längst zu einem Schlüsselwort geworden. Freilich ist diese Frage dann im konkreten Fall nicht immer leicht zu beantworten. Denn sowohl der "überzeugte Kölner" Karl Jüsten, der mit dem Regierungsumzug 1999 nach Berlin kam, als auch der ehemalige Berliner Oberkonsistorialrat Bernhard Felmberg sind bestens vernetzt. Und das unabhängig von den Parteien. Felmberg, der vor seiner Berufung in die Berliner Kirchenleitung Bundesgeschäftsführer des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU war, ist in regelmäßigem Kontakt mit der CDU-Zentrale.
Als Seelsorger sind sie für alle da ...
Selbst mit der Fraktion Die Linke haben beide Prälaten keine Probleme. Man sucht das Gespräch, vertritt seine Positionen und lernt die Haltung der Fraktion zu ethischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Fragen kennen. Berührungsängste gibt es mit keiner Fraktion – "sonst wären wir auch am falschen Ort", merkt Felmberg an. Wichtig aber ist nicht nur der Kontakt zu den Mitgliedern des Bundeskabinetts und den Abgeordneten, sondern auch zu den Ministerialbeamten, den Mitarbeitern im Parlament und den Parteien. Auch der Bundesrat darf nicht aus dem Blick geraten.
Doch es geht den beiden kirchlichen Lobbyisten nicht nur um das Gespräch über kirchlich und gesellschaftlich relevante Themen, sondern sie verstehen sich nicht zuletzt als Seelsorger. Eine Funktion, die ebenfalls vom politischen Berlin gern in Anspruch genommen wird. Denn man kennt sich, hat keine Schwellenangst. Dass die beiden Prälaten immer dabei sind, wenn die Präsidien der Parteien die Leitung ihrer Kirchen empfangen, versteht sich von selbst. So informieren sie nicht nur "die Politik" über kirchliche Positionen, sondern auch ihre Kirchen über die politischen Positionen und Entwicklungen. (Bild links: der katholische Prälat Karl Jüsten. Foto: epd-Bild/Rolf Zöllner)
... und laden alle zu Veranstaltungen ein
Während der parlamentarischen Sitzungswochen lädt Prälat Karl Jüsten katholische Abgeordnete um 7.30 Uhr zur Messe in die Kapelle des Kommissariats der Katholischen Bischöfe oder in die gegenüberliegende Kirche der Katholischen Akademie ein. Prälat Felmberg lädt bis zu achtmal im Jahr evangelische Abgeordnete zu einem Frühstück in sein Haus am Gendarmenmarkt ein. Gut besucht ist auch immer der unregelmäßig stattfindende "Treffpunkt Gendarmenmarkt" mit prominenten Theologen und Politikern als Gesprächspartner. Selbstverständlich suchen die Prälaten auch den Kontakt zu konfessionslosen Abgeordneten. Zeigen sie Interesse an weiteren Treffen, erhalten sie die entsprechenden Einladungen.
Ein Höhepunkt im Jahr ist der Johannisempfang, zu dem Prälat Felmberg die Repräsentanten von Kirche und Politik vor der Parlamentarischen Sommerpause in und um den Französischen Dom einlädt. Prälat Jüsten lädt traditionell Ende September zum St. Michaelsempfang in die Räume der Katholischen Akademie ein, ebenfalls die Spitzen von Kirche und Politik. Diese Termine sind für Bundespräsident und Kanzlerin sowie zahlreiche Bundesminister und Parteivorsitzende gewissermaßen Pflichttermine.
"Wenn die Kirche etwas zu sagen hat, dann wird sie auch gehört"
Tritt die Bundesversammlung zusammen – in der bisherigen Amtszeit von Karl Jüsten und Bernhard Felmberg am 18. März bereits zum dritten Mal -, dann laden die beiden Prälaten vo Beginn des Wahlaktes zu einem Ökumenischen Gottesdienst ein. Im Vorfeld der Entscheidung des Deutschen Bundestages über die Präimplantationsdiagnostik (PID) waren die kirchlichen Vertreter auf dem Berliner Parkett oft gefragt. Das kirchliche Arbeitsrecht ist ein Thema, für das sich viele Abgeordnete und nicht zuletzt die in Berlin ansässigen Gewerkschaften interessieren. Auch das Thema Staatsleistungen wird gegenwärtig von den Politikern immer wieder angesprochen. Das sind nur wenige Beispiele für aktuellen Gesprächsbedarf.
Für Prälat Jüsten steht fest: "Wenn die Kirche etwas zu sagen hat, dann wird sie auch gehört". Felmberg ergänzt: "Wir müssen selbstverständlich mit Kompetenz sprechen." Für beide gilt, "dass wir berechtigte Kritik aushalten." Immer wieder erfahren die Prälaten, wie sehr ihr Dienst auf dem Berliner Parkett geschätzt wird. Wenn hier etwas gefeiert wird – und das ist oft der Fall - , dann hat man die beiden Prälaten gern unter den Gästen - gleich ob die großen Zeitungen und Magazine, die Landesvertretungen, die Fraktionen oder die Botschaften zum Empfang bitten oder ein Staatsessen auf der Tagesordnung steht. Prälat Jüsten sagt es schlicht und einfach: "Wir beide drängen uns niemandem auf. Wir sind einfach da." Dieses Dasein ist es, was ihre Arbeit so wichtig macht. Nicht nur für die Kirchen, sondern vor allem für die Politik und damit für die Menschen.
Prälat Dr. Bernhard Felmberg (46) ist seit 2009 Bevollmächtigter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Berlin und Brüssel. Zuvor war er Bundesgeschäftsführer des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der CDU/CSU und anschließend Oberkonsistorialrat der Evangelischen Kirche Berlin Brandenburg und schlesische Oberlausitz.
Prälat Dr. Karl Jüsten (50) ist Leiter des Kommissariats der Katholischen Bischöfe (Katholisches Büro) mit Sitz im Katholischen Zentrum in der Hannoverschen Straße. Als er im vergangenen Jahr seinen 50. Geburtstag feierte, kamen die Spitzen der katholischen Kirche und des Staates zur Gratulation. Der "Prälat mit dem Motorroller" genießt auf dem Berliner Parkett ebenso wie sein evangelischer Kollege Felmberg hohes Ansehen.
K. Rüdiger Durth, Journalist und Theologe in Bonn und Berlin, schreibt regelmäßig für evangelisch.de.