Der Amazonas klingt grün: Regenwald-Gitarren mit Siegel
Gitarrenbau ist eine hohe Kunst. Für gute Instrumente werden erlesene Hölzer verarbeitet, die immer seltener werden. In Manaus werden Gitarren aus zertifiziertem Regenwald-Holz angefertigt. Ein Projekt, das auch Jugendlichen aus armen Verhältnissen eine Chance gibt.
14.03.2012
Von Helmut Reuter

Der Stadtteil Zumbi dos Palmares II liegt im Osten der Amazonas-Metropole Manaus. Früher galt er als einer der ärmsten und gewalttätigsten Viertel der 1,8-Millionen-Einwohner-Stadt und auch heute ist die Gegend noch ein sozialer Brennpunkt. Mitten drin wohnt der in Brasiliens Umweltaktivisten- und Musikszene wohlbekannte Rubens Gomes, den alle nur "Rubão", den "großen Rubens", nennen. Er schuf vor 14 Jahren ein Projekt, das den Schutz des bedrohten Regenwaldes verbindet mit Musik, Handwerk und sozialem Engagement: Die Amazonas-Schulwerkstatt für Saiteninstrumentenbau (OELA).

Dort lernen 16 bis 21 Jahre alte Jugendliche, wie man Gitarren baut und vor allem: welches Holz man verwendet ohne Raubbau am Regenwald zu treiben. Die traditionell für den Instrumentenbau genutzten Materialien, wie Fichten-, Zedern- oder Palisanderholz werden durch Hölzer von Amazonas-Bäumen ersetzt. Das Besondere: "Unsere Gitarren haben das FSC-Siegel (Forest Stewardship Council), ein Zertifikat, das den schonenden und verantwortlichen Umgang mit dem Regenwald belegt", sagt Gomes, der selbst Gitarrenbauer ist und vor der Gründung des OELA-Projekts Ende 1997 am Zentrum für Kunst der Universität Amazonas unterrichtete.

"Einige Instrumente sind wahre Meisterwerke"

Die Gitarren werden von zahlreichen Künstlern in Brasilien gekauft, nicht nur weil sie so einen Beitrag zum Umweltschutz leisten, sondern weil die Instrumente eine hohe Verarbeitungs- und Klangqualität haben. "Einige Instrumente sind wahre Meisterwerke", lobt Gomes seine Schüler. Der Musiker Milton Nascimento hat eine OELA-Gitarre und auch die brasilianischen Sänger Gilberto Gil und Lenine. Es ist aber vor allem der Klassikbereich, in dem die Instrumente aus Manaus eingesetzt werden. Das Material bekommt die Schule als Spende von großen Holzfirmen, die ihr Holz zertifizieren n lassen. Täglich werden drei Gitarren hergestellt.

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Eine Basis-Gitarre, für die hauptsächlich vier Holzarten verwendet werden, kostet 1.500 Reais (rund 640 Euro). Es gibt auch Sondermodelle mit bis zu 13 Saiten, deren Preis dann deutlich höher liegt. "Es war seltsam. Wir haben die Gitarren anfangs günstiger angeboten. Dann stellten wir fest, dass der Schwellenwert bei 1.500 Reais liegt, weil die Leute ansonsten der Qualität des Instruments misstrauen." Markenzeichen der Gitarren, Mandolinen und Banjos ist neben dem FSC-Siegel auch die Form des oberen Instrumentenhalses, wo die Saiten gespannt werden. Der Abschluss ist in der Form der Kuppel des Teatro Amazonas gestaltet, dem Wahrzeichen von Manaus.

Den wahren Wert des Regenwaldes schätzen lernen

Renato Montalvão fing auch als Schüler in der Werkstatt an und ist heute Lehrmeister. "Die Jugendlichen bekommen hier eine einjährige Ausbildung. Viele wollen Musiker werden", sagt der 28-Jährige. Die Werkstatt ist inzwischen zu einer bekannten Anlaufstelle geworden. Prinz Charles besuchte 2009 das Projekt mit Camilla, Brasiliens Ex-Präsident Lula war da und im Februar kam eine Studentengruppe der Universität Augsburg. Rubão geht es vor allem auch um die soziale Komponente. "Als ich hier ankam, haben sich die Jungs gegenseitig umgebracht. Der Staat war praktisch abwesend. Drogen, Alkohol, Gewalt. Auch heute gibt es das noch hier. Aber es ist besser geworden."

Er tauschte seine komfortable Wohnung im Zentrum von Manaus mit dem sozialen Brandherd im Osten der Stadt. "Ich habe jeden Tag die negativen Schlagzeilen in der Zeitung gelesen. Es hat mich bewegt und sehr gestört." Er zog nach Zumbi, mietete zuerst ein Haus, kaufte es dann und errichtete für das Non-Profit-Projekt Werkstatt und Schulräume. Heute gehört er mit seinem Projekt zum Viertel dazu. Er zeigt den Schülern einen anderen Umgang mit den Ressourcen des Waldes. "Viele wissen zu wenig über den Regenwald. Hier lernen die Jugendlichen seinen wirklichen Wert zu schätzen."

dpa