Jeder Bundesbürger wirft 82 Kilo Lebensmittel weg
Lebensmittel sind wertvoll - erst recht, weil Millionen Menschen auf der Erde hungern. Trotzdem wirft jeder Bundesbürger im Jahr 82 Kilo Nahrung weg, wie eine Studie ergab. Die Politik will gegensteuern.

In Deutschland landen einer Studie zufolge jährlich knapp elf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Nach der am Dienstag in Berlin vorgestellten Untersuchung der Universität Stuttgart entsorgt jeder Bundesbürger pro Jahr durchschnittlich 81,6 Kilogramm im Wert von 235 Euro. Hochgerechnet landen damit jährlich 21,6 Milliarden Euro in der Tonne. Knapp zwei Drittel dieser Lebensmittelabfälle seien völlig oder zumindest teilweise vermeidbar, sagte Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) bei der Präsentation der Studie. Sie kündigte für Ende März eine Informationskampagne unter dem Titel "Zu gut für die Tonne" an. Ziel sei, den Menschen praktische Tipps über den Umgang mit Lebensmitteln zu vermitteln.

Oppositionsparteien sprechen von Symbolpolitik

Grüne, SPD und Linke warfen Aigner Symbolpolitik vor und forderten konkrete Vorgaben für Industrie und Handel. Aigner lehnt es bislang ab, etwa bei Verpackungsgrößen und Qualitätsstandards die Produzenten stärker in die Pflicht zu nehmen. Der Studie zufolge werden 61 Prozent der verschwendeten Lebensmittel in Privathaushalten weggeworfen. 44 Prozent davon sind Obst und Gemüse. Auf das Konto von Gaststätten und Kantinen sowie der Industrie gehen jeweils 17 Prozent. Mit geschätzten fünf Prozent ist der Handel beteiligt. Aigner kündigte an, sich unter anderem für die regionale und Direktvermarktung von Produkten einzusetzen.

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Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie nannte in einer Stellungnahme den Abbau von Lebensmittelabfällen alternativlos und begrüßte wie der Deutsche Bauernverband die geplante Informationskampagne der Bundesregierung. Während der Bauernverband mit Blick auf die engen Gewinnmargen eine "Verschwendung von Rohware" durch die Landwirte nahezu ausschließt, bezweifelt die Ernährungsindustrie aus dem selben Grund ihren laut Studie 17-prozentigen Anteil an den verschwendeten Lebensmitteln.

"Reform des vorherrschenden Ernährungssystems" nötig

Auch das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" begrüßte die von Aigner angekündigte Kampagne. Zugleich verwies der Ernährungsexperte von "Brot für die Welt", Bernhard Walter, auf den Zusammenhang von geringerem Lebensmittelverbrauch und sinkenden Weltmarktpreisen für Nahrungsmittel. Die Organisation Slow Food Deutschland, die sich für genussvolles und regionales Essen einsetzt, nannte die Kampagne einen "überfälligen Schritt, der aber das Kernproblem ignoriert". Nötig sei eine "Reform des vorherrschenden Ernährungssystems", das bislang auf Masse, schnellen Warenumschlag und hohen Konsum beruhe, so die Vorsitzende der Verbraucherorganisation, Ursula Hudson.

Die verbraucherpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Elvira Drobinski-Weiss, warf Aigner vor, Initiativen zur Eindämmung der Lebensmittelverschwendung bislang ausgebremst zu haben. Die Verbraucherschutz-Expertin der Links-Fraktion im Bundestag, Karin Binder, erklärte, Aigner benenne nicht die wirklich Schuldigen für die Lebensmittelverschwendung. Nicht der Verbraucher sei dafür verantwortlich, sondern der ruinöse Wettbewerb in der Branche. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Bärbel Höhn, warf Aigner vor, mit den geplanten Maßnahmen die Verschwendung von Lebensmitteln nicht zu verringern.

epd