Russlands Opposition ruft zur Einheit gegen die Macht
Die russische Opposition versucht sich in Geschlossenheit. Zwar kommen weniger Regierungsgegner zu einer Kundgebung in Moskau als zuletzt. Aber junge Gesichter auf der Bühne verbreiten Aufbruchsstimmung. Nun soll ein gemeinsames Programm her.
10.03.2012
Von Benedikt von Imhoff und Ulf Mauder

Vereint gegen Wladimir Putin: Mit ungebrochenem Kampfgeist protestiert die russische Opposition gegen den gewählten Präsidenten. Linke, Rechte, Liberale - die verschiedensten politischen Strömungen zeigen auf dem Neuen Arbat in Moskau gemeinsam Flagge. "Wir werden kämpfen, wir werden den Kreml nicht den Selbsternannten überlassen", ruft Sergej Udalzow, einer der Organisatoren, der jubelnden Menge zu. Die Antwort kommt in lauten Sprechchören: "Russland ohne Putin" und "Putin ist ein Dieb".

Etwa 25 000 mögen es sein, die bei strahlend blauem Himmel, aber Temperaturen unter Null gegen Fälschungen bei der Präsidentenwahl auf die Straße gehen. Das sind zwar - auch wegen eines langen Wochenendes - bei weitem nicht so viele wie bisher. Aber sie harren länger aus als bei den letzten Malen. Aufmerksam hören sie den Rednern wie dem kämpferischen Udalzow zu.

Die jungen Demonstranten wollen ihr Schicksal in die Hand nehmen

"Je wärmer es wird, desto länger demonstrieren wir, desto zahlreicher werden wir", sagt der 35-Jährige mit der raspelkurzen Frisur. Dann kündigt er an: "Wir werden nicht von der Straße weichen." Für den 1. Mai ruft er zu einem "Marsch mit einer Million Menschen" auf. Weil er nach gut zwei Stunden Demonstration mit Anhängern zum nächsten Platz ziehen will, wird er wie so oft festgenommen.

Der Wunsch nach Wandel und Veränderung ist auf der Kundgebung fast mit Händen zu greifen. Frische, unverbrauchte Gesichter sorgen für Aufbruchsstimmung. Der Generationswandel auf der Bühne ist unübersehbar, meint auch der Kremlkritiker und frühere Vize-Regierungschef Boris Nemzow, der diesmal krank zu Hause bleiben muss. Beobachter fühlen sich an die 68er-Bewegung in Deutschland erinnert. "Redet nicht, handelt", rufen die jungen Redner von der Bühne. Viele haben die chaotischen 1990er Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht bewusst erlebt. Nun wollen sie sich von Vorbehalten ihrer Eltern lösen, die meinen, es lasse sich ohnehin nichts ändern. Die Jungen wollen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.

Da ist der Jungunternehmer Maxim Kaz. Der 27-Jährige hat erfolgreich für ein Kommunalparlament kandidiert - ohne Mitglied von Putins Regierungspartei Geeintes Russland zu sein. Da ist Vera Kitschanowa, gerade mal 20 Jahre jung und ebenfalls Regionalparlamentarierin. Sie ist die erste, die eine "Orangene Revolution" nach dem Vorbild der Ukraine 2004 fordert - demokratisch und friedlich. Das Motto: Veränderungen sind möglich.

Demonstranten sind stolz auf ihre kleinen Erfolge

Und auch die Inhalte ändern sich. Die Losung "Für ehrliche Wahlen", die bei den vergangenen Kundgebungen dominierte, weicht langsam neuen Parolen. Nun steht der "Kampf gegen die nicht-legitime Macht" im Mittelpunkt. Ein "positives" Programm wollen sich die Regierungsgegner geben, "Putin, hau' ab" soll nicht mehr der einzige Ruf sein, der sie vereint. Justizreform, Medienfreiheit und Entlassung der politischen Gefangenen lauten die Kernpunkte. Auch hier geht es um Zusammenhalt. Spendet Geld für Anwälte und Medikamente, bittet der Oppositionspolitiker Wladimir Ryschkow.

Die Regierungsgegner lassen sich nicht davon beirren, dass bisher kaum eine ihrer Forderungen von Putin oder dem amtierenden Kremlchef Dmitri Medwedew erfüllt wurde. In Aussicht gestellt sind zwar politische Reformen wie eine einfachere Parteienregistrierung. Aber Taten fehlen. So ist vor allem der umstrittene Wahlleiter Wladimir Tschurow noch immer im Amt.

Dennoch sind die Demonstranten stolz. Mit tausenden Freiwilligen als Wahlbeobachtern hätten sie ein noch viel größeres Ausmaß an Fälschungen verhindert, sagen die Regierungsgegner. Vor allem in Moskau hatten sie damit Erfolg: In der Hauptstadt mit den weit mehr als zehn Millionen Einwohnern verfehlte der Ex-Geheimdienstchef Putin auch nach offiziellen Angaben die absolute Mehrheit.

dpa