Wenn Klavierbauer Karl-Heinz Luz abends von der Arbeit nach Hause kommt, hat er oft gerade noch Zeit, sich von seiner Frau zu verabschieden. Denn die ist Pfarrerin, muss zu Sitzungen des Kirchengemeinderats oder anderen Abendterminen. "Dann muss ich da sein und auf die Kinder aufpassen", sagt der Vater dreier kleiner Jungen.
Die Familie wohnt im alten Schulhaus direkt neben der evangelischen Kirche im württembergischen Hemmingen, in einer Pfarrwohnung, wie die meisten Pfarrerinnen und Pfarrer. In der unteren Etage befindet sich in der Regel das Gemeindebüro, oben die Privatwohnung. Berufs- und Privatleben vermischen sich.
Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und Verantwortung prägen Ehe und Familie
Weil ein Geistlicher nicht nur Glauben predigen, sondern auch glaubwürdig leben soll, stellt die Kirche hohe Anforderungen an Pfarrer und ihre Ehepartner. Laut EKD-Pfarrdienstgesetz von 2010 soll der Partner evangelisch sein oder mindestens einer christlichen Kirche angehören. Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und gegenseitige Verantwortung sollen Ehe und Familie prägen.
"Der Pfarrberuf greift enorm in das Privatleben ein", sagt Albrecht Bühler aus Nürtingen, der den "Arbeitskreis Pfarrmänner in Württemberg" leitet - die einzige Gruppe für Pfarrerinnengatten in ganz Deutschland. Zwar sei es schön, dass das Pfarrehepaar ein Haus von der Kirche gestellt bekomme, aber die Pflicht für Gemeindepfarrer, in einem Pfarrhaus zu leben und die vielen berufsbedingten Umzüge seien nicht immer einfach. "Wir sind innerhalb von 20 Jahren sechs mal umgezogen", sagt Bühler.
Pfarrmänner kommen mit Ihrer Rolle besser zurecht als Pfarrfrauen
Trotz aller Herausforderungen fühlen sich Pfarrmänner in ihrer Rolle offenbar relativ wohl - oft mehr als ihre "Kolleginnen": In der Studie "Leben im Pfarrhaus" hat Verena Hennings Pfarrfrauen und Pfarrmänner der Oldenburgischen Landeskirche befragt. 91 Prozent der Pfarrmänner und mehr als drei Viertel der Oldenburger Pfarrfrauen fühlen sich in ihrer Rolle "wohl" oder "teilweise wohl". Dass Pfarrmänner besser mit ihrer Stellung zurechtkommen, liegt laut Hennings daran, dass ihre Rolle keine Tradition wie die der Pfarrfrauen hat. Deswegen würden weniger Erwartungen an sie gestellt.
"Wenn ich mich in die Gemeinde einbringe, dann finden das die Leute meist großartig", sagt Pfarrmann Luz, der in der Kinderkirche mitarbeitet und in einem Kirchenchor singt. Er leite keinen Frauenkreis, wie Pfarrfrauen das häufig tun, sondern helfe seiner Frau lieber bei Computerproblemen oder gestalte die Liedblätter für den Gottesdienst.
Katharina von Bora ebnete den Weg als erste Pfarrfrau
"Pfarrfrauen kommen aus einer Tradition, bei der erwartet oder geradezu eingeplant wird, dass die Frau in der Gemeinde mitarbeitet", sagt Bühler. Zwar habe sich durch die Berufstätigkeit vieler Pfarrfrauen heute ihre Rolle längst verändert. Aber immer wieder würden Pfarrer bei Vorstellungsgesprächen gefragt, welche Aufgaben die Ehefrau in der Gemeinde übernehmen könne.
Schon seit fast einem halben Jahrtausend gibt es Pfarrfrauen, beginnend mit Katharina von Bora, die Martin Luther heiratete. Pfarrmänner gibt es seit gut 40 Jahren. Zwar machten vor rund 50 Jahren die ersten Landeskirchen den Weg für eine Frauenordination frei. Erst später aber wurde die Zölibatsklausel aufgehoben, die nur unverheiratete Frauen zum Pfarrdienst zuließ.
Erholung gibt es für Pfarr-Paare außerhalb ihres Wohnortes
In allen Landeskirchen gebe es Angebote für Pfarrfrauen, aber Pfarrmänner seien nicht im Blick, sagt Bühler. Dabei steigt die Zahl der Pfarrerinnen und damit auch die der Pfarrmänner. Laut Pfarrdienststatistik der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) aus dem Jahr 2009 gibt es insgesamt 18.500 Theologen, die eine Pfarrstelle oder andere Planstelle innehaben, rund eine Drittel von ihnen sind Frauen. Unter den jetzigen Theologiestudierenden sind schon mehr als die Hälfte (56,2 Prozent) Frauen.
Wenn Bühler seine Frau unterstützen will, dann übernimmt er nicht einen Teil ihrer Gemeindearbeit, sondern liest ihre Predigt. Und er schaut nach privaten Freiräumen. "Wenn meine Frau einmal ein Wochenende freihat, dann nehme ich mir auch Zeit und wir fahren weg", sagt Bühler, der einen Garten- und Landschaftsbau-Betrieb leitet. Denn um tatsächlich zu entspannen, sollten Pfarr-Paare in ihrer Freizeit möglichst oft den Wohnort verlassen, rät er.
Die Rolle des Pfarrmannes darf selbst geschrieben werden
Andreas Hechler ist erst seit zwei Jahren Pfarrmann. Seine Frau ist Vikarin in einem kleinen Dorf, das zu Tübingen gehört. "In der Bäckerei, im Bus, beim Gemeindefest - überall stelle ich mich als Mann der Vikarin vor", sagt der 34-Jährige, der von Beruf IT-Berater ist. "Dann weiß jeder Bescheid."
Weil ihm wichtig ist, einen eigenen Platz in der Dorfgemeinschaft zu finden, spielt er im örtlichen Musikverein Posaune. Dort wird er als Vertreter der Kirche wahrgenommen. Bei einem Bier habe er schon mal die Kirchensteuer verteidigt und kirchliche Fragen beantwortet. "Ich stehe voll hinter der Arbeit meiner Frau. Aber meine Rolle als Pfarrmann habe ich noch nicht endgültig gefunden."