Wegen angeblich gotteslästernder Inhalte hatte es im Vorfeld Irritationen gegeben. Der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki höchstpersönlich geißelte die Theateraufführung als "unanständig". Er verurteile es, "dass das, was Menschen aus ihrem Glauben heraus wichtig und heilig ist, in dieser Weise durch den Dreck gezogen wird", sagte Woelki der "Bild"-Zeitung.
In Castelluccis Stück (Szenenfoto: Klaus Lefebvre) geht es um einen dementen alten Mann, der an Inkontinenz leidet. Sein Sohn sorgt sich rührend um ihn. Doch immer wenn er die Windeln frisch gewechselt hat, scheidet der Vater neuen Kot aus, beschmutzt Sofa, Teppich, die ganze Wohnung. Eine heimische Pflegeszene mit komischen Zügen, die allerdings ausgerechnet vor einem riesigen Christusbild spielt: Das wird am Ende mit Handgranaten beworfen, bevor es selbst mit Exkrementen übergossen zu werden scheint. Das Finale markiert der hell erleuchtete Satz "You are – not – my Shepherd" ("Du bist – nicht – mein Hirte").
Doch anders als in Städten wie Paris blieben die Proteste von strenggläubigen Katholiken diesmal aus. In Paris hatte das Stück 2011 nur unter Polizeischutz aufgeführt werden können, Besucher wurden mit Tränengas attackiert. In Berlin ließ sich nicht ein einziger Gläubiger vor dem Theater sehen, um sich über Blasphemie zu beschweren. "Hier leben halt nur zwei oder drei Katholiken", frotzelte ein Premierengast. Das sei zu wenig, um eine Protestbewegung auf die Beine zu stellen. Schon in Essen und München war "Über das Konzept des Angesichts bei Gottes Sohn" ohne größere Probleme gelaufen.
Im Anschluss an die Berliner Premiere stellte sich Regisseur Castellucci auf der Bühne Fragen zu seiner Inszenierung. Man könne diese durchaus als "religiöse Aufführung" auffassen, sagte er. Mit dem katholischen Glauben beschäftigt sich der italienische Künstler schon seit längerem. Als bloße Provokation will Castellucci sein aktuelles Stück aber nicht verstanden wissen. Am Dienstag soll es noch einmal im Hebbel am Ufer über die Bühne gehen. Nächster Aufführungsort ist Montreal in Kanada. In Deutschland ist das Stück wieder im November in Leipzig zu sehen.
dpa