Der russische Regierungschef Wladimir Putin hat die Präsidentenwahl nach Angaben der Wahlkommission in Moskau mit 63,78 Prozent der Stimmen gewonnen. Das teilte die Behörde am Montag nach Auszählung von fast 100 Prozent der Wahlzettel mit. Auf Platz zwei lag Kommunistenchef Gennadi Sjuganow mit 17,19 Prozent der Stimmen. Die übrigen drei Kandidaten landeten nach offiziellen Angaben jeweils deutlich unter zehn Prozent der Stimmen.
Der 59-jährige Putin hatte sich am Sonntagabend kurz nach Schließung der Wahllokale zum Sieger der von Betrugsvorwürfen überschatteten Abstimmung erklärt. Er wird nach 2000 und 2004 im kommenden Mai zum dritten Mal in den Kreml als Präsident einziehen. Gemäß geänderter Verfassung regiert er dann erstmals sechs Jahre und damit zwei Jahre länger als zuletzt in diesem Amt mit fast unbegrenzter Machtfülle.
Mit Spannung wurde das Urteil der Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Moskau erwartet. Unabhängige russische Beobachter hatten Tausende Wahlrechtsverstöße beklagt. Kommunistenchef Sjuganow sagte, er erkenne die Abstimmung nicht an. Die korrupte und kriminelle Staatsmaschinerie samt der vom Kreml gesteuerten Medien habe ausschließlich für Putin gearbeitet, sagte er.
Opposition ruft zu Protesten auf
Die zur Wahl nicht zugelassene Opposition kritisierte die Abstimmung als nicht ehrlich und kündigte für den Abend Massenproteste in Moskau und St. Petersburg an. Auch das Lager von Putin, das am Sonntagabend mehr als 100.000 Menschen auf die Straße gebracht hatte, will erneut Zehntausende Unterstützer des gewählten Präsidenten mobilisieren.
Nach der Amtseinführung im Mai will Putin, dem Kritiker autoritäre Tendenzen vorwerfen, die Atommacht zum dritten Mal wie schon von 2000 bis 2008 als "allmächtiger" Kremlchef führen. Das hat vor ihm noch keiner geschafft. Zudem kann er gemäß geänderter Verfassung erstmals sechs Jahre und damit zwei Jahre länger regieren. Angesichts der hohen Ölpreise, der immensen Rohstoffressourcen und der soliden Wirtschaftslage der Energiegroßmacht Russland strotzt der 59-Jährige vor Selbstbewusstsein. Er verfehlte zwar seine persönliche Bestmarke von 71 Prozent der Stimmen bei der Wahl 2004. Doch an Putins Machtwillen hat niemand einen Zweifel.
"Wer, wenn nicht Putin?" war das allgegenwärtige Motto dieses Wahlkampfes. Tatsächlich galt nach Umfragen niemand seiner vier Mitbewerber oder auch unter den Oppositionellen, die gar nicht erst zur Wahl zugelassen waren, als stark genug, Putin das Zepter der Macht abzujagen. Gleichwohl bezweifeln viele Beobachter und vor allem die Opposition, dass sich Putin angesichts dieses umstrittenen Ergebnisses dauerhaft wird halten können. Sie sehen Russland längst vor einer Zeitenwende. Der Druck einer wachsenden Mittelschicht, die mehr demokratische Freiheiten einfordert, wächst.
Ein geschwächter Wahlsieger
Putins Gegner sehen ihn als geschwächt, weil er sich nach der umstrittenen Parlamentswahl vom Dezember nun einmal mehr dem Vorwurf ausgesetzt sieht, den Sieg mit unfairen Mitteln errungen zu haben. Bei der Kritik geht es auch um den Missbrauch von Staatsmedien und Behördenressourcen für politische Zwecke und Druck auf Wähler im öffentlichen Dienst.
Doch das deutliche Ergebnis schürt nach Meinung von Experten neue Ängste, der Ex-Geheimdienstchef könnte die Daumenschrauben weiter anziehen. Zwar hatte Putin selbst erst kurz vor der Wahl versprochen, die Zügel der Macht nicht noch fester zu halten. Er stellte sogar politische Reformen in Aussicht. Doch mehr Demokratie, das weiß Moskaus Machtlager, könnte letztlich das politische Ende des seit zwölf Jahren in den Etagen der Macht regierenden Politikers bedeuten. "In deren Vorstellung bedeutet Demokratisierung Verantwortungslosigkeit, weil sie die Lage außer Kontrolle geraten lassen", meint etwa der Politologe Dmitri Oreschkin. Er bezweifelt in der russischsprachigen kremlkritischen Zeitschrift "The New Times", dass Putin wirklich noch 50 Prozent Rückhalt im Land habe.
Neue Massenproteste erwartet
Ihrem Ärger wollen diejenigen, die sich einmal um ihre Stimme betrogen fühlen, bei neuen Massenprotesten Luft machen. Schon als das "Machttandem" aus Putin und seinem politischen Ziehsohn, Kremlchef Dmitri Medwedew, im September 2011 ankündigte, im Mai die Ämter tauschen zu wollen, sahen sich viele Russen um das Recht auf Mitbestimmung betrogen.
Nicht wenigen bereitet die Aussicht Unbehagen, dass Putin bei jetzt erneut zwei möglichen Amtszeiten hintereinander noch bis 2024 im Kreml sitzen könnte. Internetforen sind voll von Diskussionen junger, gut ausgebildeter Menschen, die angesichts der festgefahrenen Strukturen von Korruption und Vetternwirtschaft für sich keine Zukunft sehen und lieber ins Ausland gehen wollen. Auch die Kapitalflucht aus Russland ist riesig.
Putin selbst führte nach Einschätzung von Politologen einen Wahlkampf mit Angst, als sei das Land im Krieg. Das Machtlager bezeichnete diejenigen, die gegen Putin protestierten, als vom Westen bezahlte Agenten, als Verräter am russischen Volk. Dass die Gefolgsleute des Ex-KGB-Offiziers keinen Aufwand scheuen würden, ihm das politische Überleben zu sichern, daran hatten die meisten Russen keinen Zweifel.