"Es geht nicht, dass hier junge Muslime unter Generalverdacht gestellt werden. Das ist purer Populismus", sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Kenan Kolat, der "Passauer Neuen Presse" (Freitagsausgabe). Der Kriminologe Christian Pfeiffer warnte vor "pauschaler Angstmache" gegenüber Muslimen. "Mich erschüttert und überrascht diese Studie nicht sehr", sagte dagegen Heinz Buschkowsky (SPD), Bezirksbürgermeister in Neukölln, im Deutschlandfunk.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, bestätigte die Ergebnisse der Studie. Er äußerte sich besorgt über Radikalisierungstendenzen unter jungen Muslimen. Diese würden durch Ausgrenzungserfahrungen und Diskriminierungserlebnisse befördert, sagte Mazyek dem ARD-Portal "tagesschau.de" in Hamburg. "Oft verbinden sich diese Erfahrungen leider mit einer fanatisierten Islamvorstellung." Die große Mehrheit der Muslime in Deutschland sei aber integrationswillig.
Die Diakonie kritisierte eine pauschale Verurteilung junger Muslime als "Integrationsverweigerer". Muslime erlebten nicht selten eine vorschnelle Verknüpfung des Islams mit dem Terrorismus und eine Pauschalverurteilung als Terroristen, erklärte Maria Loheide vom Diakonie Bundesverband in Berlin. Wer Muslime als 'Integrationsverweigerer' brandmarke, müsse sich fragen lassen, ob er oder sie nicht die Integration des Islams in die deutsche Gesellschaft ablehne.
Kriminologe: Studie ist nicht repräsentativ
Der am Donnerstag vorgelegten Untersuchung zufolge befürwortet eine Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslime Integration. Ein Teil von ihnen zeige aber auch eine Tendenz zur Gewaltakzeptanz, hieß es. Fast jeder vierte junge Muslim ohne deutschen Pass verweigere jede Integration. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte dazu gesagt, Deutschland achte die kulturelle Identität der Zuwanderer, akzeptiere aber nicht den "Import autoritärer, antidemokratischer und religiös-fanatischer Ansichten".
Der Kriminologe Pfeiffer erklärte, die Studie sei nicht repräsentativ. Sie habe mit einigen Hundert Befragten zu wenige Teilnehmer gehabt, die zudem bereits zu alt gewesen seien, sagte der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Junge Muslime bräuchten bessere Bildungschancen, damit sie sich nicht frustriert hinter der Religion verschanzten.
Die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) rief dazu auf, muslimischen Jugendlichen berufliche Perspektiven zu eröffnen. "Die Integration ist nicht gescheitert", sagte sie der "Berliner Zeitung" (Freitagsausgabe). Auch wenn die Datengrundlage der Studie "nicht vollends überzeugt" habe, sollten deren Aussagen ernst genommen werden.
Buschkowsky: "Das ist nichts Neues"
Der SPD-Politiker Buschkowsky sagte im Deutschlandfunk, dass ein Anteil junger Leute sich "entweder bewusst, oder auch nur jugendepisodisch, also abgrenzend negativ zur Gesellschaft äußert, das wissen wir, das ist nichts Neues." Er habe die 750 Seiten der Studie nicht gelesen, "aber das was ich an Zusammenfassung gelesen habe, war das, was bei uns vor Ort Lehrer und Erzieher und Sozialarbeiter seit langem funken."
Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Aydan Özoguz mahnte, Radikalisierungstendenzen in der gesamten Gesellschaft zu betrachten. Özoguz nannte es am Freitag im rbb-Inforadio "eigenartig", dass man sich bei solchen Themen immer wieder auf Muslime konzentriere. Schließlich gebe es auch in der deutschen Mehrheitsgesellschaft Abschottungstendenzen, die sich in anti-islamischen Einstellungen oder Fremdenfeindlichkeit zeigten.
Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) erklärte, eine differenzierte Studie von knapp 800 Seiten Umfang in der medialen Vermittlung bewusst auf einen Aspekt zu reduzieren lege "den Schluss nahe, dass Teile der politisch Handelnden in Deutschland Integration verhindern wollen, um im rechten politischen Spektrum weiter zu punkten." Zweck der Studie sei offenbar nur "Integration zu verhindern", so der AWO-Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler.