TV-Tipp des Tages: "Tatort: Scherbenhaufen" (ARD)
Als Porzellanfabrikant Imberger (Otto Mellies), ein Patriarch von altem Schrot und Korn, anlässlich des Todestag seines Vaters zum Friedhof fährt, fallen Schüsse; sein Chauffeur wird tödlich getroffen.
02.03.2012
Von Tilmann P. Gangloff

"Tatort: Scherbenhaufen", 4. März, 20.15 Uhr im Ersten

Eingefleischte "Tatort"-Anhänger werden sich erinnern: Als Hauptkommissar Thorsten Lannert vor vier Jahren seinen Dienst in Stuttgart antrat, hatte er harte Jahre als verdeckter Ermittler hinter sich. Der Film "Scherbenhaufen" macht zwar keine große Sache draus, aber natürlich schließt sich ein Kreis, wenn nun der Kollege Bootz in eben diese Rolle schlüpft. Die Personalie ist im Grunde das spannendste Element der Geschichte, denn versierte Krimi-Fans werden ahnen, was sie von dem Mordanschlag gleich zu Beginn zu halten haben: Als Porzellanfabrikant Imberger (Otto Mellies), ein Patriarch von altem Schrot und Korn, anlässlich des Todestag seines Vaters zum Friedhof fährt, fallen Schüsse; sein Chauffeur wird tödlich getroffen. Selbstredend geht Lannert (Richy Müller) von einem missglückten Attentat auf den Firmenchef aus.

Menschen mit Motiv gäbe es genug

Das Unternehmen hat seine Ausrichtung verändert, statt Teller und Tassen soll die Produktion auf technische Keramik umgestellt werden. Prompt ist intern ein Machtkampf entbrannt; Imbergers Söhne (Felix Eitner, Ole Puppe) vertreten dabei unterschiedliche Positionen. Aber würde einer der beiden soweit gehen, den eigenen Vater zu ermorden? Mit Gewehren können sie jedenfalls alle umgehen; auch die Gattin des Patriarchen. Besser ins Profil passt allerdings der frühere Produktionsleiter Bischoff (Bernd Tauber), der unter einem fadenscheinigen Grund entlassen worden ist; auch seine Tochter (Ulrike C. Tscharre), die Personalchefin der Firma, die ihrem Vater die Kündigung aushändigen musste, dürfte könnte genug Wut in sich tragen, um zur Mörderin zu werden.

Hätte das Drehbuch des Ehepaars Volker und Eva Zahn nur diese Ebene zu bieten, der "Tatort" wäre eine gewöhnliche und vermutlich nur mäßig spannende Mischung aus Krimi und Familiendrama. Reizvoll wird die Geschichte, weil Bootz (Felix Klare) eigentlich Urlaub hat und sich sehr zum Unmut seiner Frau von Staatsanwältin Álvarez (Carolina Vera) zu einer "under cover"-Aktion überreden lässt: Imberger braucht einen neuen Fahrer, die Polizei Einblicke in den inneren Kreis, also wird Bootz kurzerhand Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma und Imbergers Leibwächter. Die daraus resultierenden Szenen mit den beiden Kommissaren sind die interessantesten des Films: Zunächst bringt Lannert dem Kollegen bei, wie man sich als verdeckter Ermittler verhält, und fühlt ihm beim Kreuzverhör auf den Zahn; und später spielt Bootz perfekt die Doppelrolle des Polizisten im Porzellanladen, als die beiden Kommissare die Köpfe zusammenstecken und dabei vom Firmenchef überrascht werden.

Der Rest ist Krimikonvention, die ihren Reiz vor allem aus der Frage bezieht, ob man mit einer frühen Vermutung, die in eine völlig andere Richtung führt, richtig liegt. Johannes Grieser hat das Drehbuch routiniert und unauffällig umgesetzt, aber Müller und Klare zuzuschauen macht immer Spaß, zumal Grieser den großen Otto Mellies als ruhenden Pol der Geschichte inszeniert. Das Finale entschädigt ohnehin für einige ereignisarme Passagen. Und der Titel mit seiner subtilen Ironie ist auch hübsch.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).