Für Sonnenstrom vom Hausdach gibt es künftig deutlich weniger Geld. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch eine Kürzung der milliardenschweren Solarförderung um 20 bis knapp 30 Prozent, um ein Ausufern der Kosten für die Verbraucher zu vermeiden. Sie zahlen die Förderung über den Strompreis. Die Neuregelung soll bereits ab 9. März greifen.
Hier ist aber das letzte Wort noch nicht gesprochen: Die Fraktionen von Union und FDP peilen für Dachanlagen eine Übergangsfrist bis April an, damit bereits geplante Anlagen noch die alte Förderung bekommen. Diese wird auf 20 Jahre garantiert. Es gehe um Vertrauensschutz für Investitionen, hieß es aus der FDP-Fraktion mit Blick auf die längere Übergangsfrist. Auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer betonte: "Da muss eine Lösung her." Die Kürzungen an sich werden aber akzeptiert. Für Dachanlagen soll es statt 24,43 Cent je Kilowattstunde künftig nur noch 19,50 Cent geben.
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Die Förderung schlägt pro Haushalt mit etwa 70 Euro jährlich zu Buche. Solarstrom trägt bisher nur drei Prozent zum Strommix bei. Bisherige Förderregelungen sind von der Reform nicht betroffen, sie erhalten die zum Zeitpunkt der Installation gültige Vergütung. Da diese auf 20 Jahre garantiert wird, summieren sich die gezahlten und noch zu zahlenden Vergütungen bereits auf rund 100 Milliarden Euro.
Fristenstreit und Planungsunsicherheit
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) wies im Bundestag die massive Kritik der Opposition zurück. Schon bei Kürzungen in den Vorjahren hätten SPD und Grüne den Tod der Solarindustrie in Deutschland vorhergesagt. 2010 und 2011 seien aber 15 000 Megawatt an Solaranlagen installiert worden, das entspreche der Leistung von 15 Großkraftwerken. Es sei ein großer Fortschritt, dass es heute schon oft günstiger sei, Strom aus Photovoltaikanlagen selbst zu verbrauchen, statt den Strom vom Versorger zu beziehen. Es gebe erhebliche Fortschritte bei der Senkung der Photovoltaikkosten.
Deutschlandweit gibt es bereits rund eine Million Solaranlagen. Deutsche Firmen konnten zuletzt aber nur bedingt profitieren, sie leiden unter dem Preisdruck durch eine Flutung des Marktes mit billigen Modulen aus China. Nutznießer ist vor allem das Handwerk. Abgeordnete von Union und FDP berichteten, dass es gerade von Handwerkern heftige Proteste gebe, die ohne Übergangsfristen auf vielen bereits gekauften Solarmodulen sitzen bleiben würden.
Neben dem Fristenstreit sorgt eine Regelung für Ärger, mit der Röttgen im Einvernehmen mit Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) am Parlament vorbei bei allen Ökoenergie-Formen weitere Kürzungen vornehmen könnte. SPD, Grüne und Linke sehen einen Frontalangriff auf die Energiewende. So gebe es keinerlei Planungssicherheit mehr für Milliardeninvestitionen. Auch Abgeordnete von Union und FDP dringen darauf, dass diese geplanten Verordnungsermächtigungen so nicht im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verankert werden.
"Energiewende ist zum Scheitern verurteilt"
Die Solarbranche und die Opposition reagierten mit harscher Kritik auf die Neuregelungen - wenngleich in die Kürzung auch eine bisher im Juli fällige Kappung um 15 Prozent eingepreist worden ist. "Das Kabinett hat damit den Grundstein gelegt, die meisten deutschen Solarunternehmen zu ruinieren", sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Schwarz-Gelb gefährde tausende Arbeitsplätze, besonders in Ostdeutschland. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte: "Die Regierung stiftet nur Chaos und Planungsunsicherheit."
Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Solarwirtschaft, betonte: "Ohne den weiteren kraftvollen Ausbau der Solarenergie ist die Energiewende zum Scheitern verurteilt." Der Bundestag müsse dieses "Solar-Ausstiegsgesetz" stoppen. Der bayerische Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) bezeichnete die abrupte Absenkung der Einspeisevergütung als "großen Fehler". Er zeigte sich skeptisch, ob bei den drastischen Einschnitten künftig noch ein angemessener Zubau an Solaranlagen möglich sei. "Den brauchen wir, wenn wir die Energiewende mit einem ausgewogenen Mix erneuerbarer Energieträger schaffen wollen", sagte Brunner der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstag).
"Bislang war allen klar, dass die Fördersätze zum 1. April angepasst werden. Dabei sollte es auch bleiben, klare Übergangsregeln sind notwendig", sagte der niedersächsische Umweltminister Stefan Birkner (FDP) dem "Hamburger Abendblatt" (Donnerstag). Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) solle sicherstellen, dass die Förderabsenkung nicht das notwendige Vertrauen in Investitionen erschüttere
"Tausende Arbeitsplätze gefährdet"
Auch der Präsident des Verbandes Erneuerbare Energien, Dietmar Schütz, kritisierte: "Immer wieder müssen wir uns auf tiefgreifende Änderungen einstellen. Das erschüttert die Investitionsbereitschaft, insbesondere bei der Solarwirtschaft", sagte Schütz der "Nordwest-Zeitung" (Donnerstag). Die Solarbranche sieht mit dem Beschluss des Bundeskabinetts das "Ende der Erfolgsgeschichte der Erneuerbaren Energien in Deutschland eingeleitet". Frank Asbeck, Chef des Marktführers Solarworld AG, sagte der "Westfälischen Rundschau": "Dieser Kabinettsbeschluss gefährdet tausende Arbeitsplätze in Deutschland."
Als positiv wertet dagegen der ehemalige Präsident der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, die Kürzungen. "Wir hatten in den letzten Jahren einen gigantischen Zubau an Solaranlagen, der über den Erwartungen lag. Wir werden trotz Förderkürzungen erleben, dass Photovoltaik-Anlagen nach wie vor errichtet werden. Aber wahrscheinlich auf einem Niveau, das verträglicher ist, gerade wegen der Frage des künftigen Netzausbaus", sagte Kurth in der Phoenix-Sendung "Im Dialog" (Freitag).
Dem Vorsitzenden der Monopolkommission der Bundesregierung, Justus Haucap, geht die beschlossene Kürzung nicht weit genug. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag) sagte er: "Wir brauchen einen kompletten Systemwechsel und mehr Wettbewerb unter den erneuerbaren Energien." Gefördert werden müssten nicht einzelne Energieträger, sondern die erneuerbaren Energien insgesamt, sagte der Ökonom. So könnten sich die wirtschaftlichsten Formen durchsetzen. "Dazu zählt die Solarenergie in Deutschland nicht."