Die Supermutter und ihr 26-faches Mottotorten-Trauma
Perfekte Kindergeburtstagskuchen, perfekte Karnevalskostüme - die Supermutter backt und bastelt alles selbst. Und bleibt dabei immer "ganz easy". Ursula Ott hat zwei Söhne und blickt auf 26 Kindergeburtstage zurück. Oft improvisiert sie, oft hat sie zu wenig Zeit, und manchmal schreibt sie ins Heft für die Schule: "Wir haben es nicht geschafft." Auch für unperfekte Mütter gilt das Fastenmotto dieser Woche: "Tüchtig genug! Sich nicht im Alltäglichen verlieren".
23.02.2012
Von Ursula Ott

Zweimal im Jahr tagt der Mütter-Tüv. Im Frühjahr, wenn es darum geht, den Kindern besonders originelle Karnevalskostüme zu schneidern. Und im Herbst, wenn es darum geht, den Kindern eine dekorative, windstabile und dennoch nicht brennbare Laterne zu basteln.

Gute Mütter haben eine Nähmaschine oder sie haben eine Freundin, die eine Nähmaschine hat. Gute Mütter laden sich aus dem Internet Schnittbögen für Harry-Potter-Kostüme herunter und Bastelbögen für Harry-Potter-Laternen. Dafür bekommen sie von ihren Kindern sehr viel Liebe und Dankbarkeit. Und von anderen Müttern anerkennende Blicke. Wow, sieht super aus, der Lukas. Hast du das mit Klettband befestigt oder mit Gaffer Tape? Kannst du mir mal die Anleitung mailen?

Vermieterin: "Als Hausfrau sind Sie eine Null"

Ich kann überhaupt nicht nähen und ich kann überhaupt nicht basteln. Mich hat noch nie jemand nach einer Anleitung gefragt, und ich wusste bis vor zehn Jahren auch nicht, wie man Gaffer Tape buchstabiert und ob ich das im Baumarkt kriege oder bei dm. Gute Mütter wissen: Bei dm kriegt man für wenige Euros lustige bunte Schwämme und Tuffs und Schleifen, mit denen man seine Laternen und seine Karnevalskostüme dekorieren kann. Gaffer Tap hingegen ist ein Gewebeband, das es eher im Baumarkt gibt. Weiß ich jetzt. Ist wahnsinnig praktisch beim Basteln.

Aber ich bin halt nicht praktisch. Meine Begabungen liegen eher im intellektuellen Bereich. Man könnte auch sagen: Ich habe zwei linke Hände. Und ich bin schlecht auf allen traditionell weiblichen Gebieten. Putzen, nähen, kochen. Als ich meine erste Mietwohnung übergeben sollte, "besenrein", wie man so schön sagt, kam die Frau des Besitzers zur Abnahme, eine germanisierte Italienerin.

Ich war 25, Studentin, sie war 60, eine kleine Frau im Pelzmantel. Der Zufall wollte, dass im Moment der Übergabe mein aller erstes Radio-Feature von mir im leer geräumten Wohnzimmer lief, mein Name wurde gerade in dem Moment genannt, als Signora Hausbesitzerin verächtlich mit dem Finger durch eine Staubschicht fuhr. "Als Journalistin mögen Sie ein As sein", schnaubte sie wütend, "als Hausfrau sind Sie eine Null."

Manchmal wäre Mama besser dagewesen

Stimmt, als Hausfrau bin ich eine Null. Aber man kann ja auch nicht alles können. Zumal meine Frauengeneration – ich bin Jahrgang 1963 – sich bestimmten Frauentätigkeiten verweigerte aus Angst, am Herd zu landen. Schlau war das nicht, wie gerne wäre ich heute eine gute Köchin, und wie praktisch wäre es, ich könnte mit der Nähmaschine umgehen. Aber als ich vor fünf Jahren zum ersten Mal im Gymnasium meiner Söhne saß und mit 30 anderen Müttern zusammen versuchte, für den Schull- und Veedelszoch im Kölner Karneval ein Kostüm zu basteln, kippten wir Mütter uns alle dieses Trauma vor die Füße.

Ich musste Schürzen nähen früher! sagte die eine. Und ich Geschirrhandtücher umhäkeln! Unsere Kinder warteten derweil ungeduldig, dass wir aus Schaumstoff und weißer Gaze eine Spritze nähten – das Karnevalsmotto der Schule war "Finanzspritzen gesucht!". Gerettet hat uns dann ein griechischer Vater, der das Lamentieren der deutschen Mütter über frühkindliche Rollenzuschreibungen leid war. Er nahm wortlos die 30 Stoffbahnen, setzte sich an die Nähmaschine und nähte 30 weiße Stoff-Spritzen. Allein deswegen bin ich jederzeit dafür, dem Griechen auch im wahren Leben mit Geldspritzen zu helfen. Kann ja nicht jeder alles können.

Was bleibt einem sonst noch, wenn man keine Supermutter ist? Delegieren – an andere Mütter und Väter. Und an Personal. Ich habe immer viel gearbeitet, ganz gut verdient dabei und davon viel Geld an gute Babysitterinnen und Kinderfrauen bezahlt. Ja, es gab Momente, wo es besser gewesen wäre, Mama persönlich wäre da gewesen. Als neulich Käse, die afrikanische Wüstenrennmaus meines kleinen Sohns, tot im Käfig lag und ich nur Zeit für eine Blitzbestattung hatte, weil ich dringend zur Arbeit musste. Perfekte Mütter hätten das weinende Kind eine Stunde im Arm gehalten, bei mir mussten fünf Minuten reichen, und das war furchtbar. Eine Freundin ging später mit ihm zum Mäusegrab, "wegen Beten und so", wie das Kind unter Tränen sagte. Mama wäre besser gewesen, aber man kann nicht alles schaffen als berufstätige Mutter.

Die Kinder freuen sich, dass man es probiert hat

Was noch? Improvisieren. Ich blicke, bei zwei Kindern mit 12 und 14, auf insgesamt 26 Kindergeburtstage zurück. Das sind 26 Erfahrungen des Scheiterns an Motto-Torten. Dabei benutze ich das krisensicherste Backbuch überhaupt, "Backen mit der Maus" vom WDR. Aber bei der Bob der Baumeister-Torte verschwamm der gelbe Bauhelm mit der Schokomasse drunter zu einem Gesamtkunstwerk, das bestenfalls nach Gerhard Richter aussah, keinesfalls nach dem Bob-Motto "Jau, wir schaffen das!".

Und die Basketball-Torte, die ich idiotischerweise mit Kerzen verzieren wollte, erkannte das Kind erfreut mit den Worten: "Au super, ein stacheliger Mett-Igel". Aber alles lässt sich retten. Man muss einfach viel Puderzucker in der Schublade haben. Und Kinder freuen sich allein, dass man es probiert hat. Perfektion ist für sie kein Wert an sich, sie haben Spaß am Machen und am Fantasieren, das Endergebnis muss nicht aussehen wie im Backbuch. Die Perfektionsfalle, in die tappen doch nur wir Mütter. Weil wir fleißigen Mädchen ja alles richtig machen wollen.

Und neuerdings, das ist die größte Perversion, dabei auch noch entspannt aussehen wollen. Meine Generation hat wenigstens noch gejammert: Doppelbelastung! Hilfe! Alles zuviel! Die jungen Mütter, das ergaben soeben die Studien der Kölner Psychologin Ines Imdahl vom "rheingold"-Institut, die machen sich jetzt auch noch den Stress eines "vorgetäuschten Gelassenheits-Credos". Imdahl, als Mutter von vier Kindern und Chefin manchmal "ehrlich gesagt ganz schön unter Druck", war völlig perplex über die nächste Frauengeneration: "Die machen immer noch mehr Frühförderung und Pekip – beteuern aber ständig, das sei alles locker und easy."

Die Wahrheit im Mitteilungsheft: "Wir haben es nicht geschafft"

Ne, locker und easy ist meine Mütter-Generation nicht. Die Kinder aber auch nicht. Die sind ja längst nicht so "gechillt", wie sie selber sagen, sie wollen ja auch alles richtig machen. Und dann gibt es diese Abende, die es bei allen berufstätigen Eltern gibt: Man stellt erst um 21.30 Uhr fest, dass ein Geodreieck zerbrochen, der Zirkel verschlampt ist und dem Musikreferat noch drei Kapitel fehlen. Und der Sohn sagt "Ohne Geodreieck bin ich morgen ein toter Mann". Soviel zum Thema easy.

Es gibt Abende, an denen ich dann zu Rewe fahre (sonst hat ja um 21.30 nichts mehr offen) und dort ein Geodreieck kaufe. Manchmal google ich auch um 22.00 noch Mussorgskys "Bilder einer Ausstellung" und verfremde den Text so, dass kein Guttenplag-Wiki merkt, dass wir alles aus dem Internet abgeschrieben haben. Aber manchmal nehme ich auch das Mitteilungsheft und schreibe wahrheitsgetreu hinein: Wir haben es nicht geschafft. Und es ist übrigens noch keiner von der Schule geflogen deswegen.

Ach ja, und für Karneval haben wir diesmal alle Kostüme bei Karnevals-Wierts gekauft. Kam super an. Notfalls haben die auch Laternen. Mit einem Schwamm von dm sehen die aus wie selber gemacht. Nur so als Tipp.


Ursula Ott ist Chefredakteurin von evangelisch.de