"Donna Leon: Die dunkle Stunde der Serenissima", 23. Februar, 20.15 Uhr im Ersten
Es muss an Venedig liegen. Selbst kleinste Nebenrollen sind in den Donna-Leon-Verfilmungen stets populär besetzt. Rike Schmid zum Beispiel, bekannt geworden durch die ZDF-Serie "Der Fürst und das Mädchen", verschwindet schon nach zehn Minuten von der Darstellerliste. Gerade noch hatte Claudia, eine junge Studentin, Brunetti um Rat gebeten: Sie wollte ein Wiederaufnahmeverfahren erreichen, denn sie war überzeugt, ihr Großvater sei nach dem Zweiten Weltkrieg zu Unrecht im Gefängnis gelandet, wo er dann verstorben ist. Während des Krieges hatte er zu Spottpreisen Kunstwerke von Menschen gekauft, die Venedig fluchtartig verlassen mussten. Von den Bildern fehlt seither jede Spur. Nun ist auch die Enkelin tot, erstochen. Auf ihrem Konto entdecken Brunettis Mitarbeiter allerdings Geldbewegungen in eindrucksvoller Höhe.
Brunettis Chef auf dem Feng-Shui-Trip
Wie immer reduziert sich die Handlung weitgehend auf zwei Ebenen: Der Commissario (Uwe Kockisch) schreitet gemessenen Schrittes durch die Gassen oder lässt sich per Boot zum Tatort fahren. Der Rest ist Kammerspiel: Zeugenvernehmungen, das Geplänkel im Polizeirevier, Familie Brunetti beim Abendessen. Trotzdem hat beides seinen Reiz: weil Venedig einfach prachtvoll anzuschauen ist; und weil die Schauspieler nicht minder sehenswert sind. Ein darstellerisches Kleinod liefert Michael Degen, als Brunettis Chef ohnehin für die komödiantischen Einlagen zuständig. Diesmal ist er dank einer neuen Mitarbeiterin, Commissario Capari (Bettina Zimmermann), auf dem Feng-Shui-Trip, lässt überall im Gebäude die Energie kanalisieren und mümmelt sich sogar durch eine Tofu-Mahlzeit.
Die Exotik bleibt allerdings ebenso Episode wie das Gastspiel von Franca Capari. Das gilt auch für den Feminismus, dem sich Brunettis Tochter Chiara (Laura-Charlotte Syniawa) verschreibt, nachdem ihr Freund Schluss gemacht hat. Nun schleppt sie eine Aktivistin an (Hannah Herzsprung), die Chiaras verblüfften Eltern erklärt, warum das Patriarchat dem Untergang geweiht ist.
Der eigentliche Fall kommt dabei fast zu kurz. Kein Wunder: Würde sich der Film (Buch: Holger Joos, Regie: Sigi Rothemund) auf die kriminalistische Ebene beschränken, wär’s ein Kurzfilm geworden. Da Axel Milberg mitwirkt, fällt der Verdacht selbstredend auf Maxwell Ford, den Betreiber einer Bibliothek, die dem Gedenken der Helden aus den beiden Weltkriegen gewidmet ist. Ford profitiert ganz erheblich vom Tod der Studentin, denn natürlich tauchen die verschwundenen Kunstschätze wieder auf, und ausgerechnet Ford soll sie erben.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).