"Und Tschüss..." heißt es schlicht auf dem wohl politischsten Motto-Wagen des Düsseldorfer Rosenmontagszugs. Er zeigt den zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff als abgestürzten und gerupften Bundesadler, in dessen Nest ein leicht angeknackstes Ei mit der Aufschrift "Gauck" liegt. Im Kölner närrischen Lindwurm zieht der deutsche Michel vor einem Kaufhaus "Vorteilsnahme" einen auf Kleinkind-Format geschrumpften Wulff aus einem viel zu großen Präsidentenanzug. Und die Mainzer Narren zeigen Wulff schwer lädiert, k.o. geschlagen und ausgezählt in der rechten Ecke eines Boxrings.
Bei immer wieder durchbrechendem Sonnenschein wurden die Rosenmontagszüge in den närrischen Hochburgen an Rhein und Main von Millionen verkleideter Jecken an den Straßenrändern bejubelt. Euro-Krise, schwächelnde FDP, Rechtsradikalismus, der sogenannte arabische Frühling und der iranische Staatspräsident Ahmadinedschad wurden auf den Motto-Wagen aufs Korn genommen. So zeigt ein Wagen in Düsseldorf einen großen rosafarbenen Schmetterling mit dem Namen "Arabischer Frühling", auf seinen Flügeln prangen die Ziele "Demokratie", "Freiheit" und "Menschenrechte". Doch eine riesige Kröte in der grünen Farbe des Propheten hat schon ihre "Islamisierungs-Zunge" nach ihm ausgestreckt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war in Düsseldorf gleich auf mehreren Wagen vertreten - etwa, wie sie sich auf einem Tandem abstrampelt, hinter ihr auf dem zweiten Sattel ein blau-gelbes Skelett mit FDP-Schal. Ein anderer Festwagen zeigt die Kanzlerin als Lokomotivführerin eines Zuges mit der Aufschrift "Deutsche Wirtschaft". Während die Lok des "Transeuropa-Express" unter Dampf ist, schlagen aus den angehängten Wagen mit den Flaggen Frankreichs, Italiens und Spaniens die Flammen lichterloh.
"Merkozy"-Tätowierung auf dem Arm
Ein anderer Wagen zeigt Merkel als Tänzerin über der EU-Flagge mit einem riesigen rosaroten Euro-Rettungsschirm-Rock. Auch die enge Verbundenheit mit dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy nehmen die Jecken in Düsseldorf auf die Schippe. Eine kräftige Merkel zieht den zierlichen Sarkozy an ihre Brust. Auf ihrem Oberarm prangt die Tätowierung "Merkozy".
Das ungleiche Regierungsgespann aus Merkel-Rösler bekommt in der Domstadt sein Fett ab. Die stattliche Merkel hält den blau-gelben FDP-Pinscher mit dem Gesicht des Parteichefs an der Leine. Dahinter drohen Dominosteine der anstehenden Landtagswahlen in diesem Jahr und der Bundestagswahl 2013 mit Prozentzahlen der Liberalen ineinander zu kippen.
Die Kölner Jecken haben das soziale Netzwerk "Facebook" als riesige Spinne dargestellt, die ihre unzähligen Mitglieder als "Opfer" einwickelt, um ihnen später ihre Daten auszusaugen. Der im vergangenen Jahr verstorbene Humorist Vicco von Bülow alias Loriot wird von den Jecken dagegen geehrt. Petrus versperrt Loriot den Weg in den Himmel und sagt in Anspielung an eine berühmte Badewannen-Szene des Humoristen: "Die Ente bleibt draußen."
Ahmadinedschad mit Atomenergie-Streichholz
Beim inzwischen 111. Rosenmontagszug in Mainz lassen die Karnevalisten unter dem diesjährigen Motto "Dem Zeitgeist närrisch auf der Spur" eine ganze Reihe von Rating-Agentur-Figuren mit Schleudern auf Euroland schießen. In Düsseldorf und Köln ist Irans starker Mann Ahmadinedschad mit im Rosenmontagszug. In Düsseldorf steckt er sich eine Dynamitstange in den Mund und hält ein brennendes Atomenergie-Streichholz an die Zündschnur. Die Kölner Jecken zeigen den Iraner, wie er mit einer selbst gefertigten Atombombe die UN spaltet.
Der Düsseldorfer Umzug ist in diesem Jahr sicherlich wieder der mit den schärfsten politischen Motto-Wagen. Da bleibt auch die Mordserie von Rechtsextremisten an türkisch- und griechischstämmigen Migranten in Deutschland nicht außen vor. Ein Wagen zeigt eine riesige Faust mit einer Pistole und der Aufschrift "rechter Terror". Der Schalldämpfer der Pistole wird von drei Figuren gestützt, die die deutsche Justiz, die deutsche Polizei und den deutschen Verfassungsschutz darstellen. Auf einem zweiten Wagen versteckt sich ein Neonazi inmitten von Totenschädeln seiner Opfer hinter einem Schild mit der Aufschrift "Verfassungsschutz".
In Mainz stehen drei V-Männer des Verfassungsschutzes auf einem Motto-Wagen neben einer Leiche in einer Döner-Bude und halten sich Augen, Nasen und Münder zu. Dazu heißt es: "Nichts hören, sagen, sehen? Man kann es nicht verstehen!"