Evangelische Kirche begrüßt Gaucks Nominierung
Spitzenvertreter der evangelischen Kirche haben positiv auf die parteiübergreifende Nominierung von Joachim Gauck für das Amt des Bundespräsidenten reagiert. Zustimmung kam auch von ehemaligen DDR-Bürgerrechtlern. Der ehemalige protestantische Pfarrer Gauck soll nach dem Willen von Union, FDP, SPD und Grünen Nachfolger des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff werden.

Der evangelische Theologe Gauck bringe gute Voraussetzungen für das hohe Amt mit und genieße ein großes Vertrauen in der Bevölkerung, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, am Montag in Berlin. Dem Präsidentenamt könne Gauck zu neuem Ansehen verhelfen, zeigte sich der EKD-Repräsentant überzeugt.

Der mecklenburgische Landesbischof Andreas von Maltzahn äußerte sich erfreut über die Entscheidung für Gauck. "Ich wünsche ihm, dass er nach den Enttäuschungen der jüngsten Präsidentschaft nicht mit übermenschlichen Erwartungen konfrontiert wird", sagte er am Montag in Schwerin. Joachim Gauck, der aus Rostock stammt, war viele Jahre lang als Pastor in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs tätig. Der Landesbischof erinnerte zugleich an Gaucks Rolle in der friedlichen Revolution im Herbst 1989. "Beides ist in unserer Landeskirche in bester Erinnerung", so von Maltzahn.

1990 aus dem Pastorendienst ausgeschieden

Gauck war als Gemeindepastor zunächst ab 1967 in Lüssow (Landkreis Rostock) und dann ab 1971 in Rostock tätig. Zudem war er Vorsitzender des Kirchentagsausschusses in Mecklenburg. Durch diese Arbeit sei er sehr bekanntgeworden, "vor allem durch seine Reden und Predigten", hieß es aus der Pressestelle der mecklenburgischen Landeskirche. Im November 1990 sei Gauck auf eigenen Antrag aus dem Dienst als Pastor in der Landeskirche entlassen worden. Er bekomme deswegen auch keine Versorgungsleistungen der Landeskirche.

Der Vorsitzende der Kirchenleitung der Nordelbischen Kirche, Bischof Gerhard Ulrich, nannte Gauck eine "in jeder Hinsicht überzeugende Persönlichkeit". Mit seiner Lebensgeschichte bezeuge er glaubwürdig und kräftig die Verantwortung, die aus Freiheit wachse. "In ihm kandidiert eine Persönlichkeit, die unabhängig und klar im christlichen Glauben gegründet für die Menschen eintritt", so Ulrich, der auch leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) ist.

"Er kann dem Amt Würde verleihen"

Es sei auch ein Zeichen von Verantwortung, dass die beteiligten Parteien politisches Kalkül zurückgestellt und sich schnell auf diesen unabhängigen Kandidaten hätten einigen können, sagte Ulrich weiter. Gauck sei zuzutrauen, aus eigener Unabhängigkeit und Bindung zugleich eine neue Lust an der Demokratie, an Zivilcourage und zivilem Enagagement zu entfachen, so der Bischof. "Ich wünsche ihm Gottes Segen auf dem Weg zur Wahl und bekunde meinen Respekt dafür, dass er sich ein zweites Mal auf die Kandidatur einlässt. Joachim Gauck wird dem Amt Würde verleihen können."

Zustimmung kam auch vom Wittenberger Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer. Er warnte aber zugleich vor zu hohen Erwartungen. Wenn jemand, der für die Freiheit gekämpft habe, nun an der Spitze stehe, sei das "eine gute Sache", sagte der Theologe am Montag in Wittenberg. Der auch überparteilich angekündigte Kandidat werde aber noch erweisen müssen, dass er neben Lobliedern auf die bürgerliche Freiheit noch andere Schwerpunkte setzen könne.

"Ostdeutsche sind Teil der Gesellschaft"

Der Bundespräsident müsse sich auch Themen widmen, die mit Gerechtigkeit, Ökologie, Rechtsextremismus, Krieg und Frieden zu tun hätten, betonte Schorlemmer. Auch müsse die Frage, "wie Politik wieder handlungsfähig gegenüber dem ökonomischen Desaster des Neoliberalismus werden kann", eine Rolle spielen. Das Staatsoberhaupt müsse zudem auch für diejenigen sprechen, die sich die Freiheit nicht leisten können, so Schorlemmer. "Anders gesagt: Die Freiheitsfrage muss immer auch mit der Brotfrage verbunden werden."

Der Bürgerrechtler und ehemalige Leipziger Pfarrer Christian Führer empfindet die Nominierung Gaucks als Bestätigung für Christen. Das offenkundige Vertrauen in die Glaubwürdigkeit von Christen, die sich in den vergangenen Tagen gezeigt habe, "freut mich sehr", sagte Führer in Leipzig. Dass mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem künftigen Bundespräsidenten Gauck zwei Menschen mit ostdeutscher und protestantischer Biografie an der Spitze des Staates stünden, sei auch eine Würdigung der friedlichen Revolution. Es zeige sich, dass die DDR nicht einfach von der Bundesrepublik vereinnahmt wurde, sondern die Menschen aus dem Osten heute Teil der Gesellschaft sind, so der evangelische Theologe.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sowie die katholische Deutsche Bischofskonferenz wollten sich bisher nicht zur Kandidatur von Joachim Gauck äußern. Wann die Bundespräsidentenwahl stattfindet, ist noch offen. Nach dem Grundgesetz ist der 18. März der letztmögliche Termin. Gaucks Wahl gilt als sicher.

"Glaubwürdig und kompetent"

Auch bei ehemaligen DDR-Bürgerrechtlern stieß die Entscheidung auf große Zustimmung. Als erster Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen habe Gauck "einen nicht unwesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass die zweite deutsche Diktatur überwunden wurde und wir heute in Freiheit leben können", sagte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur, Rainer Eppelmann, am Montag in Berlin. Er halte Gauck "für einen glaubwürdigen und kompetenten Menschen".

Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, sagte in Berlin, der gemeinsame Vorschlag der Parteien für Gauck sei eine Anerkennung auch dessen Arbeit als erster Beauftragter der Behörde. "Es ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Aufklärung über die SED-Diktatur als ein Wert für die Demokratie angesehen wird", ergänzte Jahn. Er führt seit 2011 die Stasiunterlagenbehörde. Gauck stand von 1990 bis 2000 an der Spitze der Behörde.

Der Bürgerrechtler und Grünen-Politiker Werner Schulz erinnert sich an Gauck als jemanden, der sich nicht "wegduckt vor Problemen oder sich anpasst oder anderen nach dem Mund redet". Dem MDR-Hörfunk sagte er weiter, dass er in Gauck einen Bürgerpräsidenten sehe, der auch mit unbequemen Ansichten den gesellschaftlichen Diskurs befördern werde.

epd/buc