Pfarrer, Bischof, Präses: Protestanten im Präsidentkarussell
Dass der Pfarrer Joachim Gauck erneut als Bundespräsidenten-Kandidat gehandelt wird, ist wenig überraschend. Im Gespräch sind aber auch der Berliner Altbischof Huber und die in der evangelischen Kirche engagierte Grünen-Politikerin Göring-Eckardt.
19.02.2012
Von Thomas Schiller

In der Debatte um die Nachfolge des Bundespräsidenten werden im Karussell der möglichen Kandidaten auffallend viele evangelische Theologen genannt. Das repräsentative Staatsamt, dass seine Wirkungsmacht vor allem durch die Kraft der öffentlichen Rede entfaltet, verträgt sich offenbar gut mit dem protestantischen Selbstverständnis als "Kirche des Wortes".

Von den bisher zehn Amtsinhabern waren bis auf Heinrich Lübke und Christian Wulff alle anderen acht evangelisch - am profiliertesten wohl der Jurist Gustav Heinemann, der in der Bekennenden Kirche gegen den Nationalsozialismus gekämpft hatte, und der evangelische Verleger Johannes Rau, der wegen seiner Bibelfestigkeit auch im Politikbetrieb als "Bruder Johannes" bezeichnet wurde.

Joachim Gauck ist der Publikumsfavorit

Joachim Gauck, mit 54 Prozent Zustimmung der Publikumsfavorit in einer repräsentativen Meinungsumfrage im Auftrag von "Bild am Sonntag", war als evangelischer Pfarrer in der DDR Wortführer der Friedlichen Revolution in Rostock, bevor er zum ersten Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde wurde. Gaucks Verhältnis zur DDR wurde geprägt durch die Verhaftung seines Vaters durch den sowjetischen Geheimdienst 1951, der ihn für vier Jahre in ein sibirisches Arbeitslager verschleppte.

Der Sohn wird Pastor - ein Beruf, in dem er seine Distanz zur Staatsdoktrin leben kann. Als Theologe lernt Gauck zu reden, zu überzeugen und mitzureißen. So wird der langjährige Jugendpfarrer im Herbst 1989 zu einem der Köpfe des kirchlichen und öffentlichen Protests, obwohl er zuvor keiner oppositionellen Gruppe angehört hat. Er kandidiert für die Bürgerbewegung "Bündnis 90" für die erste freie gewählte Volkskammer und kümmert sich schon dort um die Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit. Bis heute ist der 72-jährige Gauck parteilos, aber schon bei der Präsidentenwahl 2010 war er der Kandidat von SPD und Bündnis 90/Die Grünen.

Wolfgang Huber hätte das parteiübergreifende Format

Der ebenfalls für die Wulff-Nachfolge gehandelte Theologieprofessor Wolfgang Huber (69) entscheidet sich 1993 für die Karriere als Berliner Bischof und gegen eine SPD-Kandidatur für die Bundestagswahl im Jahr darauf. 2003 rückt er als Ratsvorsitzender an die Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Sein Thema ist die Profilierung des Protestantismus in der Gesellschaft - sei es in der EKD durch den Reformprozess "Kirche der Freiheit", im Politikbetrieb durch aktive Einmischung oder in der Berliner Gesellschaft durch "Bischofs-Dinner" für Hauptstadt-Prominenz. Seit 2009 ist Huber im Ruhestand, engagiert sich aber in der Wissenschaft und gehört dem Deutschen Ethikrat an.

Mit der Wahl zum Bischof trat der Linksprotestant Huber aus der SPD aus. Als höchster EKD-Repräsentant verschaffte er sich Anerkennung über Parteigrenzen hinweg, aus dem evangelikal-konservativen Lager wurde ihm sogar ein politisches "Nachdunkeln" bescheinigt. Im Streit um Religionsunterricht für Berlin stritt er offen gegen seine frühere Partei, ist aber mit Spitzen-Sozialdemokraten wie Frank-Walter Steinmeier freundschaftlich verbunden. Aus mehreren politischen Lagern ist Huber um die Kandidatur als Wulff-Nachfolger angefragt worden, war am Sonntag in Berlin zu hören. Zurückhaltung gab es wohl bei der FDP und den Katholiken in der Union.

Katrin Göring-Eckardt und Margot Käßmann mit geringen Chancen

Auf die Skepsis der Liberalen dürfte wohl auch Katrin Göring-Eckardt stoßen, allerdings wegen ihrer grünen Parteizugehörigkeit. Die Vizepräsidentin des Bundestages hat ebenfalls Theologie studiert und bekleidet höchste evangelische Ämter: Als Präses steht sie der EKD-Synode, dem Kirchenparlament der Protestanten vor, und als Präsidentin leitete sie 2011 den Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. Auch die öffentliche Meinung sieht die Chancen der 45-Jährigen, ins Schloss Bellevue einzuziehen, mit einem Umfragewert von zwölf Prozent eher gering.

Bleibt noch Margot Käßmann, deren spektakulärer Rücktritt als EKD-Ratsvorsitzende und hannoversche Bischöfin im Fall Wulff mehrfach als vorbildlich dargestellt wurde. Allen Spekulationen, in die Politik zu wechseln, hat sie bisher eine Absage erteilt. Auf die 53-Jährige kommt ein anderes repräsentatives Amt zu: Sie soll ab April für die EKD als Luther-Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017 werben - bis zum Reformationstag in fünf Jahren, noch einige Monate länger als die Amtszeit des nächsten Bundespräsidenten.

epd